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World of Gothic



01. Murdra | 02. Das Messer | 03. Rauch im Gebirge | 04. Gerüchte vom Kontinent | 05. Groms Hand | 06. Der hölzerne Wirt | 07. Der Fremde | 08. Der schwarze Krieger | 09. Ped | 10. Nummer drei | 11. Holz auf Stein | 12. Blutnattern | 13. Die Freiwilligen I | 14. Die Freiwilligen II | 15. Zum später zahlen | 16. Tot ist tot | 17. Schuld |




von Hans-Jörg Knabel




Setarrifer Flaggen

Sie waren zurück; nicht alle, aber einige. Murdra stellte den Krug ab und nahm das Tablett mit den Metbechern von der Anrichte, dann eilte sie zu dem Tisch zurück, um den sich die Gildenkämpfer neugierig drängten. »Weg da!« zischte sie und quetschte sich zwischen den stämmigen Männern durch, bis sie die Heimkehrer endlich erreicht hatte.
Die Holzfäller sahen müde aus, zerschlagen und halb tot. Sie trugen zerschlissene leichte Rüstungen, die mit dem Wappen von Lord Gawaan verziert waren. Blut, Ruß, Erde und Staub klebte ihnen auf dem Stoff und auf der Haut. Es gab keinen unter ihnen, der nicht verletzt gewesen wäre. Ihre Wunden waren von schmutzigen Verbänden bedeckt. Grengars Bein war geschient.
»Jetzt mach‘ schon, Grengar«, tönte Rauter, als Murdra das Tablett auf den Tisch stellte. »Erzähl!«
Grengar schüttelte unwillig den Kopf. »Mir tun die Knochen weh, Rauter«, stöhnte er, »und mein Mund ist immer noch ganz trocken und kratzt.«
»Dann leg halt das Bein hoch, Mann, und trink was!« Rauter schnappte sich einen Becher von Murdras Tablett und drückte ihn Grengar in die Hand.
Grengar folgte Rauters Rat. Er legte das verletzte Bein auf einen Stuhl und nahm einen tiefen Schluck aus dem Metbecher, dann seufzte er: »Was willst du wissen?«
»Die ganze Geschichte«, sagte Rauter.



Wieder schüttelte Grengar den Kopf. »Da reicht die Nacht nicht aus, und ich bin hundemüde«, erwiderte er gähnend. »Wir sind nur gekommen, um euch zu sagen, dass wir noch am Leben sind.«
»Und damit ihr Gildenkämpfer uns nicht verdrescht, weil ihr glaubt, jemand sei in die Holzfällerhütte eingebrochen« fügte einer der Holzfäller hinzu.
Grengar nickte. »Auch das«, sagte er.
»Dann erzählt uns wenigstens wie ihr entkommen seid«, drängte Rauter.
Grengar nahm noch einen Schluck aus seinem Becher. »Also gut«, seufzte er. »Es war gestern, im Morgengrauen. Die Paladine haben in großer Zahl die Schlucht angegriffen und mehrere Stellungen überrannt; auch unsere. Wir haben gekämpft, Mann gegen Mann, aber wir waren zu schwach und wären wohl draufgegangen, wenn Gawaan nicht selbst mit seinen Rittern eingegriffen und die Paladine zurückgedrängt hätte.« Er stöhnte und rieb sich das Bein. »Als unsere Stellung wieder frei war, haben sie uns befohlen, die Verwundeten zu den Heilern im Bluttal zu bringen. Das haben wir gemacht, und wir haben uns auch gleich unsere eigenen Wunden verbinden lassen. Dann haben wir bemerkt, dass keine Wachen da waren, die uns hätten zurückschicken können, und sind gegangen, einfach so, geradewegs in den Wald. Dort haben wir Craglan getroffen. Ich dachte erst: ›Das feige Schwein!‹, weil er sich geweigert hat, die Waldläufer in die Schlacht zu führen, und sich stattdessen im Wald versteckt hat, aber dann war ich froh, ihn zu sehen. Er hat uns durchs Bluttal geführt, durch die Jägerschlucht bis nach Stewark.«
Grengar trank einen Schluck und setzte an weiterzuerzählen, da öffnete sich knarrend die Tür zum Schankraum. Grengar hielt inne und blickte zur Tür. Murdra tat es ihm gleich und sah Lisela eintreten, langsam und zögernd, fast so, als fürchtete sie sich davor, den Fuß über die Schwelle zu setzen. Grengar seufzte leise und verbarg sein Gesicht für einen Augenblick in beiden Händen. Liesela reckte und streckte sich und versuchte, durch die Reihe der Gildenkämpfer hindurch einen Blick auf die Heimkehrer zu erhaschen. Dann kam sie näher.
»Wo ist Lorn?« fragte sie mit zitternder Stimme, als sie den Tisch der Holzfäller erreicht hatte.
Grengar nahm die Hände vom Gesicht. »Er ist nicht hier«, antwortete er gedrückt und erhob sich vor Schmerz leise stöhnend von seinem Stuhl. Lieselas Lippen bebten. Grengar legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Er ist tot«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
»Tot«, wisperte Liesela, während ein Raunen durch die Reihe der Gildenkämpfer ging. Tränen flossen ihr über die Wangen. Grengar machte Anstalten, sie zu umarmen, aber sie schob ihn von sich. »Er kann nicht tot sein«, hauchte sie. »Ich würd‘ ’s spüren, wenn er tot wär‘. Hier drinnen!« Sie klopfte sich auf die Brust. »Hast etwa mit eigenen Augen gesehen, dass er tot ist?«
Grengar schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, «aber …«
Liesela ließ ihn nicht ausreden. »Also«, zischte sie und wandte sich von ihm ab. Dann eilte sie schluchzend zurück in Richtung der Tür. Grengar schaute ihr mit traurigen Augen nach, bis sie aus dem Schankraum geflohen war und Murdra nur noch ihre schnellen Schritte und ihr Schluchzen auf dem Hof hören konnte.



»Was ist mit den anderen Fischern?« fragte Rauter nach langem Schweigen.
»Die sind auch tot«, antwortete Grengar.
»Was ist passiert?«
»Frag‘ ihn«, sagte Grengar und zeigte auf einen jungen Mann, der dieselbe Rüstung wie die Holzfäller trug und ebenso zerschlagen aussah, aber Murdra gänzlich unbekannt war. »Er war in ihrer Einheit und hat uns von ihrem Schicksal erzählt.«
»Also: Was ist passiert?« fragte Rauter noch einmal, aber diesmal an den Fremden gewandt.

Alte Ruinen

Der Fremde zuckte mit den Schultern. »Grengar hat das Meiste schon erzählt«, sagte er. »Wir waren weiter unten in der Schlucht, zwei Stellungen zwischen uns und dem Feind, konnten ganz genau sehen, wie die Paladine die Männer vor uns abgemetzelt haben. Sind dann auf uns vorgerückt, die verfluchten Hunde. Der setarrifische Ritter hinter uns hat gebrüllt, wir sollten die Stellung halten, dann hat ihn ein Bolzen an einen Baumstamm genagelt. Da hab ich mir in die Hose gemacht und bin gerannt wie ein Hase. Die anderen sind geblieben, haben wohl geglaubt, sie könnten die Stellung wirklich halten und wurden niedergemacht; auch eure Fischer.«
»Hast sie also im Stich gelassen?!« donnerte Rauter.
Der Fremde nickte stumpf mit dem Kopf. »Ja, Mann, das hab‘ ich«, sagte er. »Drum leb‘ ich noch, und eure Freunde sind tot.«
»Du feige Ratte!« brüllte Rauter und schob sich die Hemdsärmel hoch. »Ich schlag dich zu Brei!« Er machte einen Schritt auf den Fremden zu, aber Grengar hielt ihn zurück.
»Lass ihn in Ruhe«, sagte er mit fester Stimme.
»Warum sollte ich?« tönte Rauter.
»Weil ihr Gildenkämpfer immer noch hier rumhängt und sauft, während andere sterben«, begann Grengar leise, aber mit Schärfe in der Stimme, »und weil er nichts dafür kann. Ein Mann mehr hätte unsere Freunde auch nicht gerettet.«
»Kann aber auch nicht bezeugen, dass sie tot sind«, sagte Rauter kleinlaut, ohne auf Grengars Vorwurf einzugehen. »Hat schließlich keine Augen im Rücken, richtig?«
»Ihre Stellung wurde überrannt und die Paladine haben keine Gefangenen gemacht«, sagte Grengar. »Glaub ihm einfach: Sie sind tot.«
Rauter schnaubte frustriert und ließ die Arme sinken.
Tot ist tot, dachte Murdra. Was will man da machen? Sie spürte Trauer in sich aufsteigen, aber sie musste auch ans Geschäft denken. Also biss sie sich gedankenverloren auf die Unterlippe und überlegte, wer die Boote der Fischer wohl würde kaufen wollen. Dann hatte sie eine Idee und nickte traurig, aber zufrieden mit dem Kopf.

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