04 Das Waldvolk von Tooshoo



Ein neues Tooshoo?

Einige Zeit ist vergangen, seit die Wilde Jagd das gesamte Tooshoo-Gebiet in Aufruhr versetzte. Was hat sich seitdem geändert?
Vieles! Wir Berichterstatter des Boten wurden Zeugen vielerlei Dinge und neuer Begebenheiten, über die wir euch in dieser Ausgabe natürlich informieren werden!

Zuletzt berichteten wir über die Ankunft im doch sehr veränderten Schwarzwasser. Überall wucherten Wurzeln, standen Bäume an Orten wo vorher keine Bäume waren und überall schien die Natur der Zivilisation wie wir sie kennen, eine verpasst zu haben. Ja, selbst die Menschen wirkten teils wirr und teils beeindruckend unbeeindruckt. Als ob sie daran gewohnt waren.
Als ich einen solchen Gesellen fragte, wieso er nicht wie der da panisch schreiend im Kreis rennt, meinte der nur:

>Wer Silden erlebte, erlebte ähnliches. Diese Wilde Jagd war eine Prüfung der Natur. Nicht das dies gewöhnlich wäre, aber je mehr wir vergessen wer wir sind und wo unsere Wurzeln sind, umso schwerer die Prüfung. Die Wilde Jagd war für mich nur etwas Mahnendes. Ein Fingerzeig. Silden indes war damals etwas reinigendes. Auch wenn es hart klingt. Das Waldvolk existiert immer noch, das zählt am Ende.<

Weiter ging es dann im Tross derer die die Ankunft der Jäger erwarteten. Angekündigt wurden jene die da draußen in den Sümpfen gekämpft hatten und ich muss gestehen, dass es selbst mich nicht kalt ließ, als das ganze Dorf seine Söhne und Töchter begrüßte.
Es waren glückliche und traurige Momente zugleich. Überwiegen tat das Gefühl des Glücks. Es schien als ob ein jeder diese von der Wildnis gezeichneten und ermüdeten Menschen küssen und umarmen wollte. Doch wenn man genau hinsah, sah man Glück und Unglück so nah beieinander, wie selten etwas anderes.
Während eine junge Frau ihrem Liebsten in die Arme sprang, ein Vater stolz seine Tochter ansah, erfuhr eine Mutter das ihr Sohn nicht mehr ist.
Doch was erstaunte waren dann die Worte eines Mannes, dem alle zuhörten. Er sprach nicht von Trauerfeier, sondern von Feier und einem Ehren der Toten.
Was an anderen Orten mit Kopfschütteln beantwortet wäre, wurde hier angenommen. Selbst von jenen die jemanden verloren hatten. Es war kein ausgelassenes Annehmen, sondern eines, dass zur Kultur dieses Volkes gehörte. Es war Frohsinn und Respekt in den Augen zu sehen. Eine Akzeptanz und Würde bei denen die trauern mussten.
Ein Beistehender erklärte es mir so:

>Der Tod gehört zum Leben dazu, wie die Geburt. Die Menschen der Städte blenden dies gerne aus, machen sich dazu kaum Gedanken oder lassen sich von Versprechungen ihrer Priester beruhigen. Wir wissen, dass nach diesem Leben ein anderes Leben beginnt. In Beliars Reich und für jene deren Seele so weit ist, eine Einheit mit der Natur. Ein weiser kleiner Mann sagte mir kleinen Jungen als mein Vater starb: Der Tod ist ein Bestandteil des Lebens. Frohlocke und jauchze für diejenigen in deiner Nähe, welche eins mit der Natur wurden. Sie betrauern musst du nicht. Sie vermissen musst du nicht. Sie feiern und ehren - das sollst, wie das eigene Leben.<

Danach erschloss sich mir mehr aus dieser Sichtweise. Das Waldvolk hat keine Furcht vor dem Tod und wie ich dann später erfuhr, wissen sie das Leben gebührend zu feiern und zu ehren.
Doch bevor ich davon erzählen kann, muss ich berichten was danach geschah. Eine merkwürdige Gestalt erschien am Schrein der Götzenfigur, die dieses Volk scheinbar verehrt.
Eine Art Sumpferemit mit fürchterlicher Maske und Zeichnungen am ganzen Körper. Er kündigte etwas an, dass ich meine Lebtage nicht vergessen werde.
Er nannte es Herr der Sümpfe. Ich nenne es Monster. Es war irgend eine Kreuzung aus Lurker und Sumpfhai und so hoch wie die Baumkronen hier. Wahrlich ein Wesen des Sumpfes und es kniete vor diesem Schrein.
Dann sprach dieser Sumpferemit von seinen Meister und gebot alle Jäger vor zu treten.
Die Jäger der Wilden Jagd taten dies und dann kam dieses Licht. Nur kurz und doch intensiv. So ganz verstand ich es nicht und doch verstand ich, dass diese Jäger irgendwie anerkannt wurden und diese Wilde Jagd zu Ende ging.
Als dieses Wesen mit dem Eremiten verschwand, sprachen so manche von einen Mal des Jägers.

Danach folgte eine Feier in der Baumkrone von Tooshoo. Ich war als Gast dabei und muss sagen, dass ich lange nicht mehr so eine friedvolle und ausgelassene Feier erlebte. Man hatte zwar nicht viel zu essen und zu trinken, aber es reichte um den Abend nicht zu vergessen. Viele Gespräche führte ich mit den Menschen dort. Mit Tagelöhnern und Waldläufern, mit alten Frauen und schönen Mädchen. Ich tanzte und sang. Hörte mir derbe Witze an und lauschte den Geschichten eines jeden. Sie erzählten vor allem von jenen die diese Wilde Jagd nicht überstanden hatten.
Gute Geschichten, lustige Geschichten, ehrende Geschichten und sentimentale Geschichten. Man trank auf sie und erzählte dann weiter. Manchem und mancher die verloren hatte, sah man zwar dies an, aber sie wurden von vielen Händen getragen und alles andere als allein gelassen.

>Wir sind alle Brüder und Schwestern. Ihr Menschen der Städte habt dies vergessen.<

Sprach ein angeheiterter Geselle zu mir. Ich gab ihm recht und behielt meine Sicht der Dinge für mich. Als guter Gast trübte man nicht die Stimmung und womöglich hatte er doch recht. In einer Zeit wo fanatischer Glaube und das Schwert regieren, scheinen sie eine Gegenbewegung zu sein. Doch sind sie es wirklich und was ist, wenn auch hierher gepanzerte Krieger marschieren? In diesem Moment wurde ich wehmütig, denn es braucht den Krieg hier nicht. Diese Menschen kämpfen um ihr einfaches Leben. Nicht um Land oder Gold.
So kamen mir auch die Gespräche kurz vor Morgengrauen vor.
Man diskutierte und plante schon den Wiederaufbau. Man hatte Visionen und Wünsche und bei all dem was ich da aufschnappte, bin ich gespannt wie sich Tooshoo und Schwarzwasser in Zukunft verändern werden.

Der Wiederaufbau hat schon längst begonnen. In den letzten Wochen rang man der Natur das ab, was sie begann zu nehmen. Neue Stege werden gebaut, neue trockene Stellen genutzt und so Einiges repariert. Von einen Schiff das jüngst an der Küste strandete, nutzt man nun allerhand Material. An manchen Stellen ließ man die Natur aber gewähren. Manch Hütte prägt nun eine Wand aus Farnen und woanders beginnt man die Bäume zu nutzen. Die Menschen sprechen von zweiter Ebene. Mit hängenden Holzbrücken vernetzte Bäume auf denen Wohngemeinschaften und Orte der Gemeinschaft entstehen sollen. Alle mit dem großen Baum vernetzt.
Im Ort selbst kehrt Tag für Tag mehr Leben ein. Neue Jäger werden ausgebildet und die Menschen sprechen davon, dass das Leben weitergeht. Ebenso aber dass die nächste Prüfung kommen wird. Hoffentlich mit erneutem guten Ende für das Waldvolk von Tooshoo.

Was blieb waren offene Fragen, die mir keiner so recht beantworten wollte oder konnte. Wieso das alles hier? Wieso diese Wilde Jagd? Was hatte man verbrochen und wer ist dieser Herr des Sumpfes? Als einzige Antwort kam dafür nur eine Thingversammlung in kommender Zeit. Dort soll es manch Antworten geben und die Zukunft ein klares Gesicht bekommen.
Ich hoffe euch im nächsten Bericht davon erzählen zu können.
Bewahret! - So verabschieden sie sich hier.

ornlu