02 Königreich Argaan



An einen Freund


Werter Freund,

Johlen und Schreien, das Klirren von Schwertern, das Summen von Hunderten Gesprächen, das Geschrei der Händler, die den euphorischen Turnierbesuchern allerhand Tand anpreisen, in der Hoffnung, dass der Geldbeutel zu diesem Ereignis lockerer sitzt. Wann erlebte man schon auf Argaan ein solches Turnier? Und wird es wieder ein solches geben? Und wo? In Setarrif? Unter König Ethorn? Man munkelt hinter vorgehaltener Hand, dass die Kampfspiele einzig ein Zeichen seiner Macht darstellen sollen. Ein verächtlicher Blick nach Thorniara, als Zeugnis der Stärke und der Freiheit. Doch wie lange wird es wohl noch so bleiben, lieber Freund? Wie lange?

Doch ich will dich nicht mit meinen drüben Gedanken bedrücken, wo sich die aufkommende Finsternis des Winters schon beschwerend aufs Gemüt legt. Auch von den Kämpfen will ich hier nicht berichten, diese bieten Stoff für einen eigenen Brief und ich will nicht Pergament sparen, werter Freund, sondern dir ausführlich berichten. Nur so viel sei gesagt, dass die Stadt schon Wochen vor den Kampfspielen in Erwartung der Kämpfe pulsierte. Fieberhaft wurde an der Arena gearbeitet, solange es die flackernden Fackeln und müden Arme zuließen. Wie du sicher noch weißt, war der Boden des Kampfplatzes unter der großen Last der Marmorblöcke zerbrochen und hatte die Arena nutzlos hinterlassen. Doch der Arenaleiter Olrik brachte die Reparaturen in Gang und so wurde der Kampfplatz pünktlich zum Turnierbeginn fertig. Außerdem wurde mitten in der Stadt eine große Anlage für das Bogenschießen errichtet, sowie ein zweiter Kampfplatz. Du kannst nicht erahnen, lieber Freund, wie ergreifend und aufwühlend es ist, wenn zwei Männer nur wenige Armlängen entfernt mit blankem Stahl gegen einander kämpfen, umhüllt von einer tobenden Menge, welche mit verklärtem Blick jeder Bewegung der Kämpfer folgt und jeden Treffer wie den Gewinn einer Schlacht bejubelt.

Doch will ich nun nicht weiter davon berichten, nicht von den Kämpfen, nicht von den übenden Kämpfern, auch nicht von den Siegern. Warte meine nächsten Brief ab, werter Freund, darin werde ich dir davon erzählen.
Schließlich hat sich auch sonst Bedeutendes zugetragen. Der gefangene Feuermagier ist verschwunden, dafür wurde einer der Priester Adanos’ wieder gesehen; Solveg, von dessen Gefangenschaft in Thorniara man sich flüsternd erzählte. Offenbar konnte man die Gefangenen gegeneinander auslösen, doch befürchte ich, lieber Freund, dass uns noch viele neue Kämpfe und Gefangennahmen bevorstehen. Der Krieg hat Wohnung genommen auf unserem geliebten Argaan und wird nur zu bald wieder seine hässliche Fratze zeigen. Ach, wie wünschte ich mir, dass man Blut nur in der Arena vergösse! Doch selbst in den Tagen des großen Turniers gab es Ärger in der Stadt. Zwei Fremde, ich hörte, sie hätten vorher selber am Turnier teilgenommen, hätten Klingen der Akademie tätlich angegriffen und rücksichtslos verletzt. Ich frage dich, lieber Freund, was treibt die jungen Männer nur zu solchen Taten? Ist es Übermut, ist es Enttäuschung oder ist der Mensch gar gleich dem Tier? Welch schlimme Gedanken, die sich meinem Geiste aufdrängen, nicht einen Federstrich sind sie mehr wert.

Auch sonst hört man von Merkwürdigem in der Stadt. Wie ich dir schrieb, wird derzeit ein Schamane aus dem Volke der Orks in der Akademie beherbergt. Die genauen Umstände kenne ich nicht, doch wird ein solches Wesen kaum in weichen Federbetten und samtenen Kissen untergebracht sein. Vom Hofe heißt es, dass man sich der Kenntnisse des Orks bedienen will, um die Wachen den Königs noch besser und stärker zu machen. Man nennt es Blutband, mehr weiß ich dazu nicht zu sagen. Ein seltsames Band scheint es zu sein, welches die Geister der Schwerter verknüpft. Wer weiß, welch schändliche Magie der König für dieses Band aufbringen ließ. Mir, lieber Freund, ist die Sache nicht geheuer.

Doch genug der ernsten Worte, die sich wie kalter Nebel um das Gemüt legen und die Gedanken dunkel und schwer machen. Ich will auch von erfreulichen Dingen berichten. Von Dingen, die Leib und Seele erfreuen. So hat sich ein neuer Konditor in der Stadt ein Geschäft aufgebaut und liefert wahre Gaumenfreuden. Ich überlegte, ob ich Teile des köstlichen Gebäcks mit diesem Brief mitschicken sollte, doch erschienen mir die Leckereien für den weiten Weg nicht robust genug. Kuchen für den Leib, eine lustige Geschichte für die Seele. Nun, die kleine Geschichte trug sich kürzlich in der Bibliothek zu. Wo sonst Ruhe und Konzentration herrschen, genährt vom steten Wissensdurst und gepflegt unter dem wachsamen Auge der Magier, sorgte ein kleiner Vogel für große Aufregung. Der kleine Kerl flatterte einfach in die ehrwürdigen Hallen und durchbrach die ehrfürchtige Stille. Man mag sich fragen, was der Vogel dort gesucht hat.

Nun will ich zum Ende kommen, lieber Freund. Die Feder wird kratzig und die Augen werden müde. Die Öllampe vor mir will bald verklimmen, das Tintenfass ist fast geleert. Wie geht es dir, da unten im Wald? Und wann wirst du zurückkommen? Wirst du überhaupt wieder nach Setarrif zurückkehren? Manchmal drängt es auch mich aus der Stadt. In den letzten Tagen hört man wieder vermehrt von Diebstählen. Doch ich bin zu schwach, für weite Reisen.
Deswegen, erzähle du mir von der Welt. Von den Tieren, den Pflanzen, den Menschen. Kürzlich hörte ich, dass zwei Männer aus der Stadt mit einigen Fremden im Orkwald unterwegs wären, auf abenteuerlicher Suche. Hast du davon gehört und kannst du mir davon berichten? Gute Geschichten sind die einzige Erquickung, die mir noch geblieben ist.

Ich hoffe, du antwortest bald!


(--Adson)