04 Die Gilde Innos'



Geflüster in der Stille

Die Stille des nahenden Winters scheint sich über die Stadt gelegt zu haben. Der Alltag geht leise voran und hinterlässt kaum Spuren in den Geschichtsbüchern. Handwerker gehen zur Arbeit, Händler bieten ihre Waren an, Stadtwachen patrouillieren auf den Straßen, Priester dienen im Tempel, Fischer fahren auf die See hinaus, Träger schleppen Waren, Gaukler zeigen ihre Vorstellungen, Heiler lindern Schmerzen, Köche stillen den Hunger. Doch all dies ist Alltag, nichts davon wird in den Chroniken der Stadt festgeschrieben. Alles fließt schweigend an der tintenlechzenden Feder vorbei. Die Stille des nahenden Winters scheint sich über die Stadt gelegt zu haben.

Nur vereinzelt hört man leise Gerüchte, Gemurmel und Geschwätz hinter vorgehaltener Hand. Leise Getuschel von Dingen, die diese Stille stören. So erzählt man sich, dass der Tempelvorsteher schon viel zu lange im Süden weilt, in den Weiten des Waldes, in Begleitung dieses Irren. Was er dort wohl treibt und ob er die Situation wohl wirklich unter Kontrolle hat? Möge Innos mit ihm sein, fernab der sicheren Stadt.
Doch ist die Stadt wirklich sicher? So spricht man noch immer von dem brutalen Überfall, bei welchem ein armer Neuankömmling in unserer schönen Stadt brutal zusammengeschlagen wurde. Manch einer hat ihn gesehen, wie er kraftlos durchs Hafenviertel stolperte, auf der Suche nach Hilfe. Wo war die Stadtwache und wer waren die Übeltäter? Beten wir, dass das Gesindel gefasst wird, so dass wir wieder in Frieden und Sicherheit leben können.

Doch noch ganz andere Kunde wird über das Meer zu uns getragen. Im Land Gorthar scheint es Unruhen zu geben. Fürsten werden gestürzt und inhaftiert. Andere Fürsten lecken sich die Finger nach Geld, Ländereien und Macht. Verrat und Heuchelei bestimmen die Politik, ebenso wie kalt berechnete Verträge und Erpressungen, von langer Hand vorbereitet, um den Besitz und die Macht Einzelner zu vermehren. Innos‘ göttliche Ordnung bleibt dabei außen vor, kann ihr Licht so nicht erscheinen lassen und so bleiben Volk und Land im Dunkeln. Wo soll das noch hinführen, so fragt man sich. Wird es Krieg geben? Wird das myrthanische Reich einem solchen Krieg unbeteiligt zusehen können? Werden unsere Söhne und Männer in weitere Kämpfe ziehen müssen? Innos möge es verhüten! Dann doch lieber Stille – Stille des nahenden Winters.