03 Das Waldvolk von Tooshoo


Die wilde Jagd in den Wäldern und Sümpfen von Tooshoo



Dieser Tage erreichen in den Tavernen anderorts in Argaan manch Geschichten aus dem Süden. Wanderer erzählen von Geistern und seltsamen Geschehnissen in der Wildnis. Von Tieren durch die man sehen kann und Pflanzen die von einen auf den anderen Tag erschienen sind. Üblicherweise winkt man dann ab und bezeichnet es als Geschwätz, als Sumpffieber oder übermäßiger Sumpfkrautkonsum. Doch spätestens als manch Flüchtlinge und Händler eintrafen, denen die Sache in Schwarzwasser zu grün wurde, beginnt man es zu glauben.
Sie sprechen von diesen Waldmenschen die den Ort um den riesigen Baum bewohnen und einem Monster, das im Sumpf herrscht.

"Erst einmal war da dieses Licht. Es war weit weg in den Tiefen Sümpfen. Grün leuchtete es und nahm der Nacht die Dunkelheit. Wir dachten uns zunächst nicht viel. Wird wohl irgend ein Treffen der anonymen Irrlichter sein oder Sumpfgase oder sowas. Die Leute sprechen ja hin und wieder schon von Begebenheiten in den Tiefen Sümpfen und als Abenteurer wie ich es bin, lauscht man natürlich dabei nicht nur der Geschichte wegen. - Als aber dann die Wachen dort und auch manch andere Bewaffnete begannen den Leuten zu erklären, dass man zur Sicherheit aller nun in den großen Baum gehen würde, musste natürlich mehr dahinter stecken. Ich weiß nicht woher sie es wussten, aber am nächsten Morgen war alles anders im Ort. Überall Wurzeln und da standen Bäume so dick wie Trollbeine plötzlich mitten im Ort. Danach sagte ich zu Froki, dass wir hier besser abhauen. Ich scheue nicht das Abenteuer, aber ich suche auch nicht den Tod, wenn ihr versteht was ich meine."

Dies erzählte Jori, ein Abenteurer aus Stewark. Zusammen mit Froki will er noch eine Weile in der Gespaltenen Jungfrau bleiben, bevor sie im Weißaugengebirge nach einem Schatz suchen werden. Nach Schwarzwasser wollen sie erst danach wieder gehen.

"Ich blieb da länger!", spricht dann eine Frau mittleren Alters zu uns. Sie sitzt am Nebentisch und die zwei Jungen die da draußen spielen, sind wohl ihre Jungs.
Wir fragen was sie sah.
"Als dieses ganze Gemüse plötzlich in der Nacht da war, hätte es mich beinahe geschnappt. Ich könnte schwören, dass mich die Wurzeln dort in die Tiefen ziehen wollten! Ja, eine kroch mir sogar unter den Rock! Ich packte dann meine beiden Jungs, sagte ihnen sie sollen keine Angst haben und folgte den Wächtern die uns dann in den Baum brachten. Am Morgen kamen dann noch seltsamere Vögel, als es sie schon im Baum gab. Dann gingen alle in Richtung dieses Schreins. Bei den göttlichen Dreien! Ich sage meinen Jungs immer fern von diesem Götzenbild zu bleiben. Diese Leute dort nennen es Schrein der Mutter, aber ich finde, dass so keine Mutter aussehen kann! Sie hat zwei Köpfe. Einer jung und schön, der andere alt und hässlich. Sie ist schwanger und breitete die Arme in die Richtung aus, von der man kommt. Die Waschweiber im Ort erzählten mir, dass die Waldläufer dort immer wieder mal was da lassen, wenn sie für Wochen verschwinden. Andere erzählten mir, dass da kleine Wunder schon geschahen. Ein Adler soll aus einem Hühnerei geschlüpft sein und eine tote Katze die ein Mädchen dort hinlegte, war am nächsten Morgen wieder lebendig. Die mögen es als gut heißen, aber für mich ist das etwas Bösartiges. So wie auch dieser Verrückte der dann dort auftauchte. Das Schlimme war ja, dass sie den noch ernst nahmen. In den Städten würden sie den einkerkern, jawohl! Dort hörten sie ihm zu. Einen halbnackten Irren aus diesen Sümpfen. Er trug eine Knochenmaske und hatte Tätowierungen am Körper, wie sie nicht mal diese kriminellen Elemente im Hafenviertel von Thorniara haben. Als er dann sprach, war das noch schlimmer. Ich bekam so richtig eine Gänsehaut als er begann zu drohen. Er meinte irgendwas von wegen sein Herr dulde die Menschen nicht mehr in seinem Sumpf und es wäre Zeit ihnen zu zeigen, dass sie unwürdig sind. Für was aber unwürdig? Wie kann man das Leben im Sumpf nur als würdig beschreiben? Ich weiß, ich lebte da auch! Aber nur kurz. Wir mussten wegen dieser furchtbaren Orks flüchten! Meinen Mann haben sich diese verfluchten Orks geholt. Wo sollte ich sonst hin? Da nahm ich das Angebot an und wollte da so lange bleiben, bis wir uns eine neue Zukunft aufbauen könnten. In die Armenviertel der Städte wollte ich nicht!"

Erzählte uns Silvia. Auf die Frage was dann geschah, hatte sie dann auch eine Antwort.

"Es war seltsam. Als dieser Verrückte dann verschwand, sprach da einer irgendwas, was ich nicht verstand und dann machten sich einige bereit. Die Leute sprachen nur noch davon. Das Waldvolk wurde durch den Herrn des Sumpfes herausgefordert. Der Sieger würde den großen Baum bewachen dürfen. Sollten die Menschen verlieren, müssten sie den Sumpf verlassen. So meinten sie es da. Ich verstand nur Fuhrwerkabstellplatz. Dann kamen meine Jungs daher und erzählten wie ein Haufen Jäger bei der Sumpfkrautplantage sich sammeln würden. Ein paar Stunden später brachen sie in kleinen Gruppen auf um Geister zu jagen. Das war doch alles ein schlechter Scherz dachte ich da noch, aber als ich meine Jungs zum Essen rief und mein kleiner Harad da mit einer Geister-Fleischwanze in der Hand ankam, wusste ich dass es Zeit ist zu verschwinden. Ich holte bei den Waschweibern meinen Lohn, verkaufte noch ein paar Sachen und dann sind wir los. Zwei Jäger, die dort in der Ecke, waren so nett und nahmen uns mit. - Was die Zukunft bringt? Ich weiß es nicht. Ich werde meine Jungs aber nicht im Armenviertel aufwachsen lassen oder sie an einen Ort bringen, wo der Krieg noch hin kommt. Irgendwie kommen wir an Geld, selbst wenn ich mich dafür verkaufen muss. Und dann wollen wir nach Myrtana. Da soll kein Krieg herrschen."

Sprach sie dann und rief dann ihre Jungs her. Wir indes fragten höflich bei den zwei Jägern an und sie gewährten uns, für eine Runde Bier, ihnen zuzuhören.

"Ganz üble Sache da, sag ich euch. Ganz üble Sache.", meint der ältere Jäger namens Hrongar.
"Ja, genau! Fiese Kiste! Wir waren dort.", bestätigt dann Hrangar, Hrongars Sohn.
"Als dieser Hexer da am Schrein erschien, waren wir auch da. Wir kennen ja viele Geschichten um den Sumpf, ja, sogar über Argaan. Ziehen den Jahreszeiten entsprechend von Ort zu Ort in Argaan. Seit der Junge laufen und jagen kann. - Jedenfalls sowas wie dort haben wir aber noch nicht erlebt. Die Waldläufer erzählen ja immer wieder was, wenn sie einem trauen und auch von diesem Herrn des Sumpfes. Ein Geist der Natur soll er sein und dieser Hexer sowas wie sein Diener. Er hat sie herausgefordert. Sie, also dieses Waldvolk, gegen die Schützlinge dieses Naturgeistes. Eine große Jagd, bei der nicht klar ist wer Jäger und wer Beute ist. Ein Kampf um die Heimat, wie einer der Waldläufer sagte. Ich weiß ja nicht was sie diesem Geist getan haben, aber ich verstand schon, dass sie da nicht einfach so aufgaben. Mein Junge und ich beschlossen mit zu machen. Zum einen der Reiz der Jagd auf etwas Unbekanntes. Zum anderen weiß ich, dass ein guter Ruf bei denen, so manch Türen öffnet. Also machten wir mit bei diesen Jagdkommandos. Ich sag euch, es war anders als sonst. Allein schon, als man die Tiefen Sümpfe betrat. Als dann die ersten Geister erschienen, war es seltsam auf sie zu schießen. Gewöhnlich jagen wir, um von der Beute zu leben. Hier aber nun war dem nicht so. Als unsere Pfeile die Blutfliegen trafen, zerfielen sie zu Staub. Einen seltsam leuchtenden Staub. Die Tiere verhielten sich auch anders. Sie folgten zwar ihrer Natur, aber sie hatten weder Angst noch Schmerz. So ging der erste Tag um und dann erzählte uns der Waldläufer der uns anführte, ein wenig mehr. Scheinbar gab es vor langer Zeit schon einmal dort ein Waldvolk. Das musste aber weg - und wieso? Weil sie diese Wilde Jagd damals verloren hatten! - Wir hatten uns sozusagen in eine uralte Fehde mit eingemischt und wieso das Waldvolk, das letzte Mal verloren hatte, wurde noch in der Nacht klar. Plötzlich waren da Sumpfhaie. Überall! Zwei haben sie erwischt, der Rest und wir entkamen dann. Mir wurde dann klar, dass es nicht wirklich meine Jagd, mein Kampf war. Ich mag manche Leute da zwar, aber ich gehöre nicht zu ihnen. Ich entschied, dass wir den Bruchwald verlassen und in Schwarzwasser begegnete uns Silvia die auch weg wollte. Da war es Ehrensache, sie bis hier her zu begleiten. Hrangar sieht das zwar anders, aber er wird verstehen, wenn er alt genug ist."
"Wir hätten da bleiben sollen Vater. Wie soll ich dort das nächste Mal den Leuten in die Augen sehen? Wie soll ich mich da anschließen können?"
"Du machst dir zu viele Gedanken, weil dir dieses Mädchen mit der Raubkatze den Kopf verdreht hat. Sie werden es verstehen, Hrangar. Sei froh, dass du lebst. Das können manche von denen dort in Schwarzwasser nicht mehr von sich sagen. Und über deine Idee sich denen anzuschließen haben wir doch schon geredet. Bis du nicht gezeigt hast, dass du ein besserer Jäger als ich bist, folgst du mir, Sohn."

Erzählte uns dann der alte Hrongar. Drei Geschichten und das Bild von dem was sich da abspielt wird deutlicher. Gerade wollen wir aufbrechen, um uns selbst ein Bild von dort zu machen, da kommen neue Flüchtlinge durch die Tür herein. Sie werden von manchen erkannt und sollen sofort erzählen, was in Schwarzwasser los sei. Wir erfahren nichts Gutes über den Ort.

Während man von den Jagdkommandos von Tag zu Tag weniger hörte, so manch Tote zurück gebracht wurden und nicht viel ausgesagt werden konnte, ob man den Gegner nun am besiegen war, war es in Schwarzwasser noch Extremer geworden. Zuerst waren es Untergangspropheten die hinter jedem Stein hervor gekrochen kamen. Dann wuchs ein Wall aus Pflanzen um den Ort und isolierte ihn von der Außenwelt. Die Flüchtlinge konnten nicht mal sagen ob da noch alle leben würden. Womöglich war die Sache schon entschieden und die Natur hätte sich das Volk, das sich ihr verschrieb, geholt. Welch Ironie.
So verging der Rest des Tages und das was man wusste, wurde wieder und wieder durch andere erzählt und bestätigt.

"Welch grausames Schicksal.", sagte ich zu meinen Reisegefährten. Der erwiderte aber, dass es immer gut ist sich selbst ein Bild zu machen. Gesagt getan und nach einigen Tagen der Reise, kamen wir wohl gerade rechtzeitig. Schon auf dem Weg begegneten uns Wächter aus diesem Ort. Sie erzählten stolz, dass der Ort immer noch stand und die Jagd entschieden wurde. Schwarzwasser wäre nur etwas ramponiert, aber das würden sie ja kennen. Im Ort angekommen, bestätigte es sich. Wurzeln und Bäume an Stellen wo eigentlich Zivilisation gewesen war. Die Leute waren dabei überall aufzuräumen, zu reparieren oder sich bei Sumpfkraut etwas zu erzählen. Am Abend war geplant den Sieg der Jäger zu feiern. Doch ehe dies geschah, rief jemand alle im Ort zusammen und die Menschenmenge bewegte sich gen Schrein der Mutter - was sollte dies bedeuten?

Wir werden dran bleiben und als Redakteure des Boten davon berichten.

ornlu