(Seite 2)




07 Fossilien aus der Kreidezeit

Bote: Ah, du warst also schon immer gut vernetzt. Das hat sicher sehr dabei geholfen, Postpartner zu finden, um gemeinsame Geschichten zu schreiben. Soso, olirie hat damals also Schleimmonster auf die armen Katakomben gehetzt. Sowas würde der sich heute wahrscheinlich nicht mehr trauen.

Aber ehe wir tiefer in die Geschichte des Kastells steigen, muß ich mich noch einmal wundern: Du hast dich doch tatsächlich zuerst bei der Garde Innos' anmelden wollen. Und das schon im Januar 2003. Allerdings hast du dir dann noch ein Jahr Zeit gelassen, um wirklich mit dem Rollenspiel anzufangen. Im Januar 2004 ging es dann richtig los. Und kurze Zeit später warst du dann auch schon Lehrling der schwarzen Magie im Kastell. Nämlich Anfang Februar.

Hast du noch Erinnerungen, wie es damals so im Kastell und generell im Rollenspielforum zuging? Was sind rückblickend die größten Unterschiede zu heute? Auch in der Art und Weise, wie Rollenspiel damals betrieben wurde und wie es sich heute darstellt.

Ceron: Früher? Früher war alles besser: ICQ stürzte weniger ab. Die Leute wählten sich noch mit ihrem Modem ins Internet und hatten kein Geld um binnen zweier Tage Dutzende von Seiten umfassende Threads zu ihren RPG-Plänen zu füllen. Stattdessen schrieben sie die Posts offline, wählten sich ein, schrieben einige Textnachrichten und schickten ihren Post ab. Natürlich war früher bei weitem nicht alles besser, aber ich habe zumindest die Illusion, daß früher noch phantasievoller geschrieben und weniger phantasiert wurde.

Natürlich wird dir jeder, der vor einer Dekade schon da war, sagen, dass die Posts damals noch kürzer gewesen sind. Ich füge dem hinzu, dass ich deshalb auch mehr Posts gelesen habe. Dies hat - nebst meiner exponentiell abnehmenden frei verfügbaren Zeit - aber sicherlich auch damit zu tun, dass heute schlichtweg mehr konkurrierende Anbieter um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Ich merke das auch bei meinen Mitpostern: Damals musste ich niemandem sagen „Hey, ich bin am selben Ort wie du und habe dich gerade angepostet“ - heute bin ich schon froh, wenn meine eigenen Schüler meine Posts entdecken.

Im Kastell hat sich selbstverständlich nichts verändert. Es ist die Weltkonstante.

Bote: Hehe, das klingt nach dem etwas galligen Kommentar eines alten Magiers. War früher wirklich alles besser? War es nicht auch so, daß viele Geschichten doch recht einfach waren, die geschrieben wurden? Daß zwar viele Teilnmehmer mitgeschrieben haben, aber eben auch viele davon schnell wieder inaktiv wurden, nur um durch neuen Nachwuchs ersetzt zu werden? Das scheint auf mich eher eine schnellebige Zeit gewesen zu sein - zumindest schnelllebiger als das Rollenspiel heute, wo es vor allem aus Teilnehmern besteht, die schon lange dabei sind. Ist das vielleicht einer der Gründe dafür, daß das RPG heutzutage sich anders „anfühlt“? Längere Posts, langsamere Postfrequenz und all diese Dinge?

Ceron: So abgelutscht diese Erklärung klingt, ich denke es sind genau diese Faktoren, ja. Mit der Einfachheit der Geschichten sprichst du einen wichtigen Punkt an: Wichtig nicht nur für die Entwicklung des Rollenspiels, sondern auch als Erfolgskonzept für eine Geschichte, die sowohl die Schreiber wie auch die Leser bei der Stange hält. Hier komme ich auf die Schnelllebigkeit zurück: Die Vorgeschichten unserer Charaktere werden immer länger. Herrjeh, Ceron ist wohl selbst ein sehr gutes Beispiel dafür. Was war er nicht alles? Im Kern ein Pazifist, der immer mal wieder besessen war, Weltenwanderer, Gelehrter, Alchemist, Vater einer Tochter, Lehrer von etwa zwei Dutzend Schülern und und und... Die Herausforderung für uns „Alte“ ist es, unsere Charaktere den Neuen (und dem Leser) einfach verständlich zu präsentieren. Mit Ceron ist mir das in den letzten Jahren immer weniger gelungen, ohne dabei seine Vergangenheit zu überspielen.

Bote: Der Spagat zwischen Komplexität und Zugänglichkeit. Darüber hab ich ja noch gar nicht nachgedacht, aber du hast Recht. Wie vermittelt man anderen all die vielen Geschichten, die Entwicklung des eigenen Charakters, ohne fünfbändige Anhänge zu schreiben?

Aber da fiel gleich ein anderes interessantes Stichwort: Vater einer Tochter. Erzähl mal davon. Wer ist die Mutter, wie heißt die Tochter und was steckt hinter der Idee? Wie kam es dazu und war das von Anfang an als eine Art "Langzeitprojekt" gedacht? Oder eher aus der Laune eines Augenblicks geboren und hat sich dann verselbständigt? Und gab es da nicht neulich erst eine wunderbare Quest dazu?

Ceron: Das "wie" funktioniert im Rollenspiel nicht anders als im echten Leben, soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter erläutert werden, um meine wunderbare Postpartnerin, Angelina del Río, nicht weiter in Verlegenheit zu bringen. Nachdem alle uns bis damals bekannten Rollenspiel-Kinder irgendwo versandet sind und nicht selten auch gleich noch ihre Eltern mitgerissen haben, waren wir uns der Gefahren dieses "Langzeitprojekts", wie du es so schön nennst, durchaus bewusst. Schlussendlich hat die Liebe gesiegt? Oder war es vielmehr die rein physiologische Konsequenz all dessen, was zwischen den Zeilen geschah? Ich glaube ich war damals noch viel überzeugter vom Realismus im Rollenspiel. In den darauffolgenden Jahren haben wir dann auch erkannt, dass Jil, unsere Tochter, so ruhig sie auch schlief, unser Rollenspieldasein doch sehr verkomplizierte. Wie erklärt man der einjährigen Tochter (und dem Leser), dass Vati mal eben loszieht um mit ein paar abenteuerlustigen Kameraden die Welt rettet?

Die Magierin“ sollte unserem Unbehagen Linderung verschaffen. Den Grundgedanken für die Quest hatten wir schon sehr lange. Was genau wir ausgeheckt haben, will ich an dieser Stelle jedoch nicht verraten. Schnuppert rein und leset selbst. Als Appetizer sozusagen: Die Magie nimmt bisher nie dagewesene Formen an.

Blättern: 1 2 3 4