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3 Nordmar und Varant

VARANT

Hunde, die bellen, beißen nicht... oder doch?

Die Stadt am Hang des Kastellberges frönt in den Tagen nach dem Sieg über Zuben zunehmend dem als verdient deklarierten Schlaf. Menschen verfallen dem aufstrebenden Rhythmus altbekannter Tätigkeiten. Gebäude, einst zerstört von den Herrscharen des Löwen, haben zu ihrem alten Glanz zurückgefunden, während das Blut, das den Sand einst tränkte, in tiefere Schichten versickert die Straßen schon lange nicht mehr als Schauplatz einstiger Scharmützel kennzeichnet.

Die Wunden der Menschen überziehen sich mit Schorf, der bröckelnd das frische, noch rosa Fleisch der Narben freigibt, die wohl nie mehr so verblassen werden, wie die Zeit die Erinnerungen der Menschen bleicht.

Geneigte Leser, der Alltag hat erneut von der Stadt am östlichen Rand der Wüste Besitz ergriffen und einmal mehr bewiesen, dass die Sieger weniger an ihren Wunden zu lecken haben, als die Verlierer. Exklusiv versuchte der Bote in diesen Tagen im Dienste der informationsheischenden Leserschaft nach Isthar zu gelangen, um zu finden, was von dem einstigen Löwen und Herrscher der Wüste, Zuben, übriggeblieben ist. Wir fanden nichts, außer verschlossene Toren und finstere Miene derjenigen Assassinen, die wissen, dass die Freiheit ihrer Schritte kaum weiter, als die Rampe, die zum Eingang der mit goldenen Türmen verzierten Stadt führt, hinunter reicht. Sie sind Gefangene ihrer Niederlage, bloßes Zierrat am Rande der Wüste und scheinbar so schnell vergessen, dass man meinen könnte, sie wären nie mehr als eine Randerscheinung gewesen.

Und während die einen hinter schweren Toren schweigen und die Bewohner Bakaresh dem Alltag huldigen, bricht sich eben jener einer Welle gleich in den Köpfen derjenigen, die die Spitze des Schwertes bildeten, das den Streich zum Wiedererlangen der Freiheit führte.
Noch findet man sie nur, wenn man die Augen offen hält und sich nicht von der Illusion der Abwesenheit des Emirs täuschen lässt, sich nicht dem Gedanken hingibt, dass der scheinbare Frieden auch ohne Schein noch währte.

Doch die tapferen Recken und aufstrebenden Kämpfer im Namen des dunklen Gottes genießen die Muse, die sie treibt, ihren Körper und ihren Geist zu stählen.

Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen und ließ den Schatten der Kasbah nach den niedrigeren Häusern der Händler und des einfachen Volkes greifen, da erhaschte ich den Blick auf zwei Gestalten, die an der Mauern des Assassinensitzes zu klettern versuchten, der eine noch meisterlich, der andere kaum würdig, meinen Blick lange an sich zu binden.
Ich erinnerte mich, jener meisterliche Klettere war mir schon zuvor begegnet, und obwohl mir sein Name nicht in Erinnerung geblieben ist, ergaben meine Nachforschungen doch, das Gilbert Rottingham, einstiger Pirat auf den freien Weltmeeren und nun Besitzer des edlen Etablissements „Die Goldmünze“, nicht nur ein begnadeter Kletterer, sondern darüber hinaus noch ein wahrer Kenner im Schwertkampf ist.
Ich konnte ihn bereits zuvor bei der Arbeit in der Arena zu Bakaresh beobachten, wie er zwar wenig taktvoll doch mit ruhiger Hand und eleganten Bewegungen seinen Gegner, einen mir bis dato unbekannten Sohn der Wüste, der auf den klangvollen Namen Andron hört, in Grund und Boden stampfte, doch gütig, wie die Gestalt eines Ehrenmannes zu sein hatte, trotz der anfänglichen Beleidigung seines Gegners, jenem noch das Leben ließ, wenn auch mit der sicheren Gewissheit, dass es von nun an ein Schändlicheres sein wird.

Die Hunde der Stadt bellen wieder, rasseln mit den Klingen, die ihnen gegeben, und schleifen jene, dass sie sich scharf wie am ersten Tage sauber in das Fleisch des Feindes schneiden. So konnte ich Tarnum, Lehrmeister des einhändigen Waffenkampfes, einen Tag dabei begleiten, wie er seinen Schüler Batariel gewissenhaft die grundlegende Kunst des Kampfes lehrt.
Gleichsam konnte mein Blick sich nicht einer rothaarigen Kriegerin verschließen, die mit weiblicher Anmut zwei weitere Söhne der Wüste, Xerxo und Lair, gleiches lehrt und sie formt, dass sie dereinst genauso scharf wie ihre Vorgänger das Schwert namens Freiheit bilden.

Nicht zuletzt berichtete mir ein Vertrauter des Statthalters, dass zu Ehren Beliars ein Turnier ausgerichtet wird, die tapfersten, stärksten und weisesten Sprösslinge der Wüste zu locken und im Kampfe verführend an den Gott des Todes zu binden.

Es liegt eine einnehmende Melodie über der Stadt der Freiheit, die noch immer vom Sehnen nach Kampf beseelt ist. Die Trommeln des Krieges schweigen, doch die Sopranen der Nornen prophezeien bereits, dass sich stählende Männer bellenden Hunden gleichen und zu beißen noch eher bereit sind, als die Schlange, die sich in der dunklen Höhle verkriecht.

Mögen Schatten und Wasser ihre Reisen bereichern,
ihr nun im Schatten bei einem Schlauch Wasser lagernder Berichterstatter aus Bakaresh.

(--Ardescion)

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