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03 Ostargaan

SETARRIF

Von Recht und Gerechtigkeit

Stille Wasser sind meist tief und nur weil man keine Veränderung an der Oberfläche sieht, kann in der Tiefe dennoch Chaos herrschen. So tobt in diesen Tagen ein Sturm im Kreise des Wassers, der nur wenigen der normalen Bürgern Setarrifs bekannt ist. Alles fing mit einem scheinbar harmlosen Lüftchen an, als sich der oberste Hofmagier Hathon dazu entschied, die Mitglieder des Kreises des Wassers aus Al Shedim über das Problem mit Oktavian, dem obersten Magier Setarrifs, aufzuklären.
Oktavian bekam in der Vergangenheit immer mehr Macht und Möglichkeiten der Einflußnahme vom König zugesprochen, sodass dieser in gewissen Maßen in manchen Bereichen selbst darüber entscheidet, was Recht und Gesetz ist. Wenn ein Schiff in einen Sturm kommt, dann muss es härter geführt werden, als wenn es sich durch seichtes Gewässer treiben lassen. Grundsätzlich mag dies eine gute Ansicht sein, die jedoch dann problematisch wird, wenn der Kapitän gleichzeitig beginnt, das Wetter unabhängig von objektiven Faktoren zu klassifizieren.
So war es wohl kaum verwunderlich, dass der oberste Wassermagier, als er in oben beschriebene Versammlung hereinplatzte, einen Sturm sah, der noch lange nicht aufgezogen war, sich aber dennoch so aufführte. Die Sachlage interessierte Oktavian nicht sonderlich und die nötige Rechtslage ließe sich schnell schaffen, um den potentiellen Sturm im Keim zu ersticken. So war es bloß dem Opfer Nivis' und Hyperius' zu verdanken, die sich gegen den obersten Wassermagier wandten, dass er von den anderen Anwesenden abgelenkt wurde.
Dieses Opfer und die Inhaftierung der Beiden entsprach zwar gültigem Recht, doch war es auch gerecht, dass zwei, die in Wahrheit nur wenig mit dem Komplott zu tun hatten, sich opferten, damit der Rest den Plan weiterverfolgen konnte? Doch auch das Recht scheint außer Acht gelassen zu werden, wenn eine Tat als nötig und gerecht angesehen wird, so wie der oberste Wassermagier die Gefangenen im Kerker folterte, als niemand zusah oder die Verschwörer dessen Absetzung planten, die auf bloßer Basis des Rechts nicht möglich war.
Daraufhin folgte ein öffentlicher Schauprozess, in dem es, dies war allen Anwesenden klar, darum ging, die beiden Angeklagten nach gültigem Recht für etwas zu verurteilen, das sie nicht getan hatten. Und trotzdem wurde die erhaltene Strafe vom obersten Richter Oktavian als gerecht angesehen, aber war sie das auch wirklich? Fragte man ein Mitglied des Kreises des Wassers aus Al Shedim, so würde es dies wohl negieren.

Der Begriff der Gerechtigkeit ist also stets subjektiv gefärbt und so kann dem Menschen auf Basis von gültigem Recht, das als ungerecht angesehen wird, dennoch eine Ungerechtigkeit widerfahren, besonders dann, wenn der Kläger zum Richter wird.
Doch nicht nur im Kreise des Wassers kommt es zur Ungleichheit dieser Begriffe. Eine Truppe der Diener Innos' wurde gefangen genommen, weil König Ethorn in ihnen eine Gefahr und eine potentielle Provokation seiner Position sah. Doch dass die Krieger vielleicht als Folge der widrigen Umständen an diesem Ort gelandet sind und nun zu unrecht im Kerker sitzen müssen, spielt für einen Mann in seiner Position eine unwichtigere Rolle, denn er handelte im Rahmen geltenden Rechts und sah eine Rechtfertigung für diesen Schritt, so dass er niemals an der Gerechtigkeit dieser Tat zweifeln würde.
Die kommenden Tage werden die Antwort darauf bringen, ob lediglich geltendes Recht und nicht die Gerechtigkeit über den Ausgang des Schicksals der Menschen bestimmt. Wird Hyperius für seine nicht begangenen Vergehen gehängt werden, gelingt es dem Kreis des Wassers aus Al Shedim Oktavian seiner gerechten Strafe zu zuführen und was für ein Schicksal steht den Gefangenen Diener Innos' bevor, die anscheinend nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren?

(-- Hyperius)

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