
"Ticks und Sonderbarkeiten machen Menschen interessant! Das sollte man beim Rollenspiel unbedingt ausspielen!"
WorldofGothic: Hallo Dietrich, schön dass du neben der ganzen Organisiererei für die nächste "Gothic Tales"-Convention Zeit für ein Interview gefunden hast!
Wie kamst du auf die Idee, ein eigenes Rollenspielsystem für Gothic zu erschaffen?
Dietrich Neubert: Das war während Corona. Ich habe damals in einer 5-er WG gewohnt und als Student hatte man auf einmal sehr viel Freizeit in den eigenen vier Wänden. Zuerst habe ich ein paar Runden Dungeons & Dragons, das wohl bekannteste Pen & Paper, dass es so gibt, für meine Freunde angeleitet. Schnell kam der Gedanke: Hey, da kann ich auch selbst was bauen! Und als alter Gothic-Fan…
WorldofGothic: Welche Vorteile hat deiner Meinung nach ein Pen & Paper-System gegenüber einem Computerspiel?
Dietrich Neubert: Ein schwieriger Vergleich! Beide Formate haben ihre Stärken! Was digitale Spiele sehr gut können, ist ein System von Werten automatisch zu errechnen und daraus spaßiges Gameplay zu machen: Du hast 120 Trefferpunkte, das Monster macht 15 Schaden mit dem einen Angriff und 20 mit dem anderen. Hinzu kommen Rüstungswerte, vielleicht ein Ausdauersystem etc. pp. Daraus ergeben sich dann interessante Entscheidungsmöglichkeiten.
Die große Stärke von Pen & Papern ist die gestalterische Freiheit! Seine eigene Geschichte zu erzählen – sie zu erfinden und entwickeln, während man spielt – das macht Tischrollenspiel einzigartig. Als Spielleiter geht es da um den Plot und die Geschichte an sich. Bei Spielern steht Ausgestalten des eigenen Charakters bei Tischrollenspielen ja immer stark im Vordergrund. Ich würde auch jedem Spieler empfehlen – ob er neu dabei ist oder schon vielen Sessions auf dem Buckel hat – bei der Charaktererschaffung eine Figur mit Ecken und Kanten zu kreieren. Wir alle kennen Legolas und Gimli oder Conan den Barbaren und Xardas den Zauberer. Diese Schablonen sind erst mal gut! Aber jeder Mensch hat seine Eigenarten und Untiefen. Also macht euren Charakter auch so! Wie wäre es, wenn Legolas penibel auf seine Reinlichkeit besteht, wenn Conan eine Kette trägt, auf die er die Fingernägel seiner erschlagenen Feinde auffädelt. Und diese Kette ist ihm heilig! Fass ja nicht Conans Fingernagelkette an! Oder Gimli steht total auf Käse oder Xardas badet gerne in heißem Wasser und scheut keinen Aufwand diesen Luxus tagtäglich zu genießen, selbst wenn er dafür mächtige Zauber aufwenden muss. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig verrückt, aber Ticks und Sonderbarkeiten machen Menschen interessant! Das sollte man beim Rollenspiel unbedingt ausspielen!
WorldofGothic: Gab es bestehenden Systeme, die für Gothic Tales als Vorbild gedient haben und worin besteht die besondere Eignung dieser für ein Gothic Pen & Paper?
Dietrich Neubert: Die Inspiration für GT kam von vielen Seiten, vor allem aber von Dungeons & Dragons. Ohne da jetzt zu tief gehen zu wollen, aber so wie bei PC-Spielen haben auch Rollenspiele eine Spieltradition. Jeder PC-Spieler hat zum Beispiel schon mal von der Kampfrolle oder von Manapunkten, von leichten und schweren Angriffen gehört. Was Rollenspiele angeht ist da Dungeons & Dragons ein guter Referenzpunkt. Es ist schlau, sich dieser Traditionen zu bedienen. Aber besonders in den letzten 10 Jahren gab es im Bereich Tischrollenspiele auch viel Innovation und da habe ich auch mit wachem Auge rüber geschielt! Wie sagt man so schön: Nachahmung ist höchste Form der Anerkennung.
Letzten Endes wurde aus GT grob ein zweiteiliges Spiel: Zum einen taktische Kämpfe mit klaren Regeln, ähnlich wie D&D, und zum anderen freies dynamisches Storytelling beim Reisen, bei sozialen Begegnungen und sonstigen Interaktionen. Bei letzterem war zum Beispiel D&D meiner Meinung nach zu durchreguliert – Savage Worlds macht aber vor, wie frisch und frei so was sein kann!
Für die Pen & Paper-Kenner kann ich ganz kurz sagen: GT hat 6 Attribute und Angriffe wie D&D, 3 Aktionen pro Zug wie Pathfinder, Gruppenproben wie Savage Worlds (dramatic tasks) und natürlich noch sehr viel Eigenes. So soll jeder Würfelwurf ein gewisses Spannungselement haben und feste Mechaniken wie Talente und Lernpunkte sind Teil eines ausgeklügelten Systems mit interessanten Abwägungen für die Spieler.
WorldofGothic: Gab es besondere Herausforderungen, die bei der Umsetzung des Spielsystems aus dem Computerspiel in ein Pen & Paper aufgetreten sind und wie hast du sie gelöst?
Dietrich Neubert: Da gab es in zwei Phasen große Herausforderungen: Zum einen in der Frühphase, wo noch nicht klar war: Was will ich überhaupt für ein Spiel machen? Und zum anderen beim Aufbauen des Spielmaterials. Das gesamte Waffenarsenal, all die Runenzauber und Spruchrollen, die Monster und NPCs, das war einfach viel Handarbeit. Dass sich die Werte wie Schaden und Trefferpunkte sich so nicht vom PC-Spiel zum Rollenspiel übertragen lassen, das war von Anfang an klar. Wie viel Arbeit es ist, habe ich glaube ich einfach solange ausgeblendet. Umso schöner, dass das alles nun steht! Die 60 Monster, die 80 NPCs, die unzähligen Waffen und Gegenstände… Diese PDFs sind nun alle fertig und online. Ich danke Innos für die Technologie der Exceltabelle! ;-)
WorldofGothic: Hast du am Anfang damit gerechnet, dass die erste Con auf Burg Tannroda ein Erfolg werden würde?
Dietrich Neubert Ich hatte die ganze Zeit Angst und Hoffnung zugleich! Dass es dann aber so rund läuft, damit habe ich nie gerechnet! Es war echt schön, so viele nette Kontakte aufzubauen, bis spät in die Nacht zu spielen und zu quatschen und letzten Endes allen Teilnehmern eine schöne Zeit zu bescheren! Die nächste Con in Jena wird jetzt etwas größer und der Show-Abend am Samstag ist ambitionierter – ich hoffe es wird gut! Nein, alles wird gut!
WorldofGothic: Welches Feedback hast du von den Spielern bekommen? Gibt es bestimmte Änderungen, die du nach den vielen Spielrunden einarbeiten willst oder auch schon hast?
Dietrich Neubert Oh, da ist viel passiert und da passiert auch fortlaufend noch einiges. Als ein konkretes Beispiel habe ich nach der ersten Con die Trefferpunkte aller Figuren, Spieler wie Monster, verringert. Das war nach Anraten eines langjährigen Spielers. Jetzt sind Kämpfe etwas schneller und etwas risikoreicher. Vielleicht kann man das vergleichen mit Shootern, wo jedes Ziel ein Bulletsponge ist und anderen Shootern, wo ein guter Schuss schon das Ende bedeuten kann. Es gibt noch viele andere Beispiele, wie die Berufe, bestimmte Monster, die Struktur des Einstiegsabenteuers… Das ist eine sehr lange Liste, das würde hier den Rahmen sprengen. Die Leute auf dem Discord wissen Bescheid.
WorldofGothic: Wird es in diesem Jahr wieder eine Gothic Tales Convention geben und wenn ja, wann und wo?
Dietrich Neubert Ja! Der Ticketshop ist online! Die 2. GT-Con startet am
28. August und geht bis zum 31.Sie wird im schönen
Jena auf der Binderburg ausgerichtet.
Für Ticketbesitzer gibt es eine Teilverpflegung und natürlich jede Menge Rollenspiel und für alle anderen kann ich empfehlen am Samstagabend vorbeizuschauen – Feuershow, Livemusik, Poetry Slamtext und Schwertkampf, das wird großartig!
Vielleicht kann ich das hier noch anbringen: Ich bitte wie letztes Jahr
um Spenden! Ich muss die Location, die Künstlergagen, die Verpflegung und noch mehr finanzieren. Also wer die Idee cool findet, wer sie dieses Jahr und weitere Male ermöglichen will, der könnte mir mit ein paar Brocken Erz wirklich sehr helfen!
Schaut einmal hier beim Spendenlink oder schaut auf der Website nach Tickets und was genau auf der Con los sein wird! Oder holt euch einfach Gothic Tales – kostenlos und selbstgemacht <3
https://www.gofundme.com/f/die-2-gothic-tales-convention https://gothic-tales.de/con2 https://gothic-tales.de Danke für die schönen Fragen!!
Ich freu mich auf die Con Ende August und ich freu mich auf jede Besucherin und jeden Besucher!