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Von Francoise

Der Zwischenfall im Tempel war immer noch nicht geklärt worden, sehr zum Verdruss der obersten Feuermagierin. Der Tod der jungen Novizin stimmte Françoise besonders betroffen, denn es war ihre Aufgabe als geistige Führerin der Kirche die ihr anvertrauten Leben zu beschützen. Doch besaß sie nicht die Macht, sämtliches Unheil von den Ihren abzuwenden.
Jetzt spazierte Françoise allein in Richtung Friedhof. Sie wollte dem Grab der Novizin einen Besuch abstatten. Wenn sie es nicht im Leben geschafft hatte der jungen Frau beizustehen, wollte die Priesterin ihr zumindest im Tod die Ehre erweisen. Während sie über den Friedhof schlenderte, kam Françoise an unzähligen Gräbern vorbei. Die meisten Namen kannte sie nicht, denn sie stammten aus der Zeit bevor die oberste Feuermagierin nach Argaan gekommen war. Inzwischen befanden sich unter den Toten aber auch Menschen, die zusammen mit Françoise auf die Insel gereist oder noch später eingetroffen waren. Nicht wenige davon hatten ihr Leben in einem der Kämpfe mit den Setarrifern gelassen.
Schließlich erreichte Françoise ein frisches Grab. Den Grabstein zierte ein Innossymbol. Vor den Stein hatte jemand eine Sonnenblume gelegt. Françoise vermutete, dass es ein Freund oder Verwandter gewesen sein musste. Zumindest gehörte es nicht zur Tradition der Kirche, eine solche Blume auf das Grab zu legen. Allerdings gefiel die Idee der Priesterin und sie fand es passend, eine Sonnenblume für eine Dienerin des Sonnengottes niederzulegen.

Françoise breitete ihre Hände aus und sprach ein stilles Gebet für die gestorbene Frau. Die tote Novizin bat sie um Vergebung und beschwor Innos, seine Dienerin in seine Obhut aufzunehmen. Nachdem ihr Gebet geendet hatte, hielt die Priesterin noch einige Zeit lang inne. Sie spürte die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut; es erfüllte sie mit Zuversicht.
Auf dem Rückweg ließ sich Françoise Zeit, die einzelnen Gräber näher zu begutachten. Den Friedhof in Ordnung zu halten war ebenfalls eine Aufgabe der Kirche. So befanden sich alle Gräber in einem guten Zustand. Ab und zu kam die Priesterin an einem Grab vorbei, an dem Blumen oder andere Kleinigkeiten niedergelegt worden waren. All diese Fürsorge besaß auch einen praktischen Hintergrund. Verwilderte Gräber zogen unheilige Magien an und so kam es selbst ohne das Zutun von Totenbeschwörern mitunter vor, dass die sterblichen Überreste zum untoten Leben erweckt wurden. Besonders in der Nähe von Städten durfte so etwas nicht geschehen.

Nach einer Weile erreichte Françoise das Tempelgebäude. Bevor sie zum Friedhof aufgebrochen war, hatte die Priesterin Mary dort mit einigen Aufgaben betraut. Nach dem furchtbaren Unglück schien es Françoise umso wichtiger, Mary weiter in der Heilkunst zu unterweisen.
Ihr Protegé stellte sich geschickt beim Lernen an und nahm das neue Wissen zügig in sich auf. Noch befasste sie sich mit gewöhnlichen Heilungsmethoden, braute Tränke, mischte Salben und studierte Kräuter. In geraumer Zeit würde sie, davon war Françoise überzeugt, sich mit magischer Heilkunst befassen können.
Als sie das Laboratorium betrat, hörte Françoise bereits das Brodeln einige Mixturen. Die Novizin bemerkte die oberste Feuermagierin nicht auf Anhieb und arbeitete weiter. Sie war gerade dabei, einen Pilz mit dem Messer zu erkleinern, als sie der Priesterin gewahr wurde und vor Schreck zusammenzuckte.
»Au!«, rief Mary und ließ das Messer fallen. Blut tropfte von ihrem Finger auf den Tisch.
»Entschuldige, Mary. Ich hätte anklopfen sollen.«, sagte Françoise und trat näher, um sich die Wunde anzusehen.
»Es geht schon. Es ist nur ein kleiner Schnitt.«, beteuerte die Novizin und nahm ein Leinentuch zur Hand, um das Blut abzuwischen.
»Auch ein kleiner Schnitt kann gefährlich sein.«, belehrte die Priesterin ihre Schülerin. Sie nahm den Pilz, den Mary gerade noch zerteilt hatte, und begutachtete ihn genauer.
»Reinige die Wunde zuerst gründlich, bevor du sie behandelst.«
»Ja, Meisterin.«
»Besonders, wenn du mit so vielen verschiedenen Kräutern zu tun hast, musst du sehr aufmerksam sein. Innos sei dank, ist dieser Pilz harmlos. Manche Pflanzen sondern giftige Säfte ab, die auf der Haut ungefährlich sind. Geraten sie in das Blut können die Folgen verheerend sein. Mehr als ein Meisterheiler ist bereits seiner eigenen Unachtsamkeit zum Opfer gefallen und hat dafür bitter bezahlen müssen.«
»Entschuldigt bitte, Meisterin.«
»Du musst dich nicht entschuldigen. Pass nur bitte auf dich auf.«