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Von Kilijan

Der Tag neigte sich weit gen Abend, die tiefstehende Sonne zauberte aus den goldenen Dächern der Perle Argaans ein Meer aus rotem Feuer, das die ganze Stadt in seinen Widerschein zu tauchen schien. Kilijan hatte die Arbeit endlich niedergelegt, nachdem sich sein Arm mal wieder über die Arbeitslast mit deutlichen Schmerzen im Ellenbogenbereich beschwert hatte. Natürlich war das Werkzeug gereinigt und sortiert und die Schmiede ausgefegt, aber dennoch fühlte der Schmied sich immer faul, wenn er früher die Arbeit ruhen ließ als geplant, und erst recht wenn ein ungehöriges Körperteil ihm das diktierte. Daher hatte er beschlossen, seine Ruhelosigkeit mit einem langen Gang über den Markt zu vertreiben, der vermutlich in dieser Saison und zu genau dieser Tageszeit einer der schönsten Orte der Welt war. An Sommermittagen war die Hitze in Setarrif kaum erträglich und die Händler wie Handwerker ließen die Arbeit ruhen, um die quälenden Stunden im Schatten, möglichst irgendwo am Meer oder in der Horizontalen zu verbringen. Dafür waren die Marktstände bis in die späten, lauen Abende geöffnet, ein Meer aus wunderbaren Farben und Gerüchen. Sonne hieß nämlich nicht nur quälende Mittagshitze, sondern auch, dass jetzt alle Bäume und Sträucher wie besessen saftige und süße Früchte hervorbrachten, die die Händler in großen Türmen aufstapelten. Lose aufgespannte Zelten boten hie und da einigen Dutzend Menschen die Gelegenheit zum Sitzen und Teetrinken und der Geruch der dampfenden Kannen und Tassen mischte sich mit dem leicht pfefferigen und starken, aber nicht unangenehmem Geruch der Gewürzhändler, die bevorzugt im Frühjahr in See stachen und dann in der gesamten Sommerzeit in Argaan anlegten. Alles in allem war es ein Fest der Sinne, durch das Kilijan wanderte, ohne ein großes Ziel oder jede Hast. Seine Füße trugen ihn Richtung Nordtor, wo er stehen blieb und das ganze Treiben etwas auf sich wirken ließ. Nach etlichen Momenten beschloss er, ein paar Schritte nach rechts zu gehen und sich einen Pfirsich zu kaufen. Eine Münze wechselte die Hände und noch während er einen großen Happen aus dem saftstrotzenden Fruchtfleisch biss, sah er sich schon weiter um und spielte mit dem Gedanken, bei dem Gewürzhändler gegenüber ein Döschen Safran zu kaufen und sich in den nächsten Tagen an einer Fischpfanne mit Reis zu versuchen. HeeeeeeKRAAAACH! Der Magier erschreckte sich so, dass er sich um ein Haar verschluckt hätte, hatte aber keine Zeit, groß seine Gedanken zu sammeln. Alles, was er wusste, waren ein Schrei und ein splitternd-krachendes Geräusch hinter ihm, da hätte er auch schon fast sein Gleichgewicht verloren, als ein fetter, schwitzender Kerl, der offenbar seinerseits unfreiwillig in Kilijans Richtung geschleudert worden war, gegen eben jenen taumelte und ihn fast umgerissen hätte. Der Magier fing sich und konnte die Quelle des Taumelnden in einem schnell von dannen rennenden Mann ausmachen, während sich hinter ihm Schreie erhoben hatten - es waren allerdings so viele Stimmen, das einzelnde Worte schwer auszumachen waren. Auf einer sehr grundlegenden Ebene beschloss das Hirn des Magiers aber innerhalb eines Lidschlages, dass das Ganze nicht gut sein konnte; er fühlte seine Beinmuskeln anspannen und im nächsten Moment befand er sich schon im vollen Lauf und im Versuch, die von dem Fliehenden in die Menschenmenge gezwungene Schneise zu verfolgen.

Er bekam von dem Verfolgten nicht mehr zu sehen als das Blitzen einer schwarzen Robe, denn aus er als der Menschenmenge stob, hatte ebenjener einen Haken in die nächste Gasse geschlagen, und als Kilijan den Eingang der Gasse endlich erreicht hatte, wiederholte sich dieses Spiel und dann wieder und wieder, wie sie erst durch die Gassen des Handwerksviertels rannten. Sein Herz schlug laut und schnell pochend und die schnellen Atemzüge füllten scharf schneidend seine Lungen. Die Gassen wurden zunehmend enger und die Hauswänder und Straßen dreckiger. Dieses kam just in dem Moment in Kilijans Kopf an, als er um die Ecke bog und vor einer Wand fast schlitternd zum Stehen kommen musste. "Schau an, schau an, ein Held." echote eine Stimme durch die hohe Gasse, die hoch und höhnisch klang, noch während Kilijan sich umwandte. Im Eingang der Sackgasse standen zwei Gestalten, deren Gesichter Kilijan unter ihren Kaputzen nicht ausmachen konnte. Aber wem die Kaputzen der schwarzen Mäntel nicht Hinweis genug gewesen wäre, dem hätten die gezogenen Klingen der beiden Gestalten den entscheidenden Hinweis gegeben. "Werden immer seltener, dieser Tage." bemerkte eine zweite, etwas tiefere und plumpere Stimme. Kilijan musterte in aller gebotenen Eile die Wände der Häuser ab, während er gleichzeitig versuchte, sein Herz und seine Atmung zu beruhigen und seinen Geist zu schärfen. "Ich vermisse sie fast ein bisschen, die kleinen Helden..." bemerkte der erste wieder und man konnte ein Grinsen unter seiner Kaputze erahnen, wenn man es denn in seiner Stimme überhört hatte, "Schön, dass man ab und an die gute alte Zeit erinnert .." Ein großer Eiszapfen unterbrach - mit hoher Geschwindigkeit und krachend mit einem Kopf kollidierend - recht jäh den billigen Sarkasmus und schleuderte den Getroffenen zu Boden. Der andere überwand seinen Schreck unangenehm schnell und kam sofort mit angriffslustig gerecktem Schwert auf Kilijan zugelaufen. Eine Szene, nebenbeit, die man sich nicht sehr lange in Ruhe betrachten könnte, denn die Gasse war mitnichten lang, es trennten die beiden Männer kaum ein Moment. Mit lautem Krachen schepperte der zweite Mann zu Boden und nur ein diskretes Glitzern auf dem Stein unter ihm deutete darauf hin, was wohl der Grund für den plötzlichen Sturz gewesen sein mochte. Kilijan verlor keine Zeit, noch während er an dem fluchenden Kleiderbündel vorbei spurtete, bündelte sich die Magie wie eine Aura aus brennendem Willen um ihn. Der von seinem Eisgeschoss getroffene Kerl, auf den Kilijan zustürzte, rappelte sich bereits fluchend auf und hätte den Magier zeitlich gut passend aufgespießt, wenn der nicht auf halber Strecke einen scharfen Rechtsschwenk gemacht hätte. Die Tür, die ihm ihm Weg war, sprang zum Glück ohne weiteren Aufwand auf und Kilijan musste seine angestaute Kraft nicht darauf verwenden, sie zu zertrümmern, sondern konnte seinem ursprünglichen Plan folgen: Kaum hatte er die Tür hinter sich zugeworfen, streckte er seine Hände aus und wob in der Schnelle eines gleichzeitig routinierten UND unter Lebensgefahr stehenden Menschen einen Verschlusszauber. Die Tür begann, an ihren Rändern leicht blau zu glühen, dann versiegte das Licht und KRACH! - genau eine Haarbreit später krachte von außen ein Körper gegen das Holz. Kilijan fiel keuchend und entkräftet zu Boden und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Auf der einen Seite hätte er wohl dankbar sein sollen, dass er offenbar die kalte Ruhe seines Vaters im Angesicht von Gefahr geerbt hatte .. auf der anderen Seite fiel es ihm gerade deutlich schwer, Dankbarkeit zu spüren. Vielmehr kamen mit der stoßweisen Atmung wenig jugendfreie Worte an die Luft.