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Von Sergio

Die Teleportation zum Königsplatz erinnerte Sergio daran, dass er sich ja selbst an dieser Kunst versuchen wollte, sich bisher aber nicht mehr darum gekümmert hatte. Das musste er wirklich mal ändern. Nun musste er aber erst einmal Turang mit dem Gelernten beeindrucken. Wie auch immer das gehen sollte. Auf dem Platz war glücklicherweise nicht mehr viel los, sodass es nur wenige Zeugen der Prüfung (offensichtlich war es eine) geben würde, was umso besser war, falls Sergio sich blamieren sollte.
Zunächst dachte er angestrengt darüber nach, wie er die Aufgabe lösen sollte, wurde jedoch unterbrochen, als er just in diesem Moment den Raufbold erblickte, dessen Wut er in der Sturzkampfmöwe weggezaubert hatte. Der Typ kam wie gerufen, denn der Adept hatte plötzlich eine Idee. Eine ziemlich banale, aber etwas Besseres fiel ihm gerade nicht ein. Sollte Turang sich doch beschweren, wenn ihm was nicht passte.
Sergio konzentrierte sich und ließ die Magie fließen, ließ so schnell er konnte eine Kugel aus den Wasserteilchen der Umgebungsluft entstehen und über seiner Hand schweben. Dann veränderte er die Form der Wasserkugel, sodass ein spitz zulaufendes Geschoss dabei herauskam, das nicht von schlechten Eltern war. Er entzog dem Wasser die Wärmeenergie, wodurch es zügig gefror und damit zum Eisgeschoss wurde. Diese Vorgänge hatte Sergio so oft geübt, dass sie ihm relativ leicht von der Hand gingen.
Während all dies geschah, setzte der diesmal nicht betrunkene Kerl nichtsahnend seinen Weg über den Platz fort. Der Adept beeilte sich, damit sein „Opfer“ nicht frühzeitig davonstiefelte. Er ließ das Geschoss vorwärts fliegen und entfesselte dann so viel magische Energie, dass es vom einen Moment zum anderen ein gewaltiges Tempo entwickelte. Augenblicke später rauschte es blitzschnell auf den Mann zu, verfehlte diesen aber um Haaresbreite und durchschlug zwei der Holzpfähle, die die Überdachung eines kleinen zu dieser späten Stunde unbesetzten Marktstandes stützten. Es krachte, und die Überdachung landete mit einer Seite auf dem Boden. Das Opfer erschrak sich zu Tode, und als er Sergio erblickte, der sich absichtlich gut sichtbar hingestellt hatte, begriff er.
„Elender Mistkerl!“, lautete die Beschimpfung. „Euch Magiefuzzis hab ich sowieso auf Sicht! Warte nur, ich schlag dir die Zähne aus!“ Der Mann stürmte auf den Magieschüler zu, der bewusst danebengezielt hatte, was außer diesem und Turang wohl keinem aufgefallen war.
Sergio flüchtete in eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern und bog so lange um die Ecken, bis er den Wütenden abgehängt hatte. Kurz darauf fand er den Königsplatz wieder, auf dem sein Verfolger nicht mehr zu sehen war. Er hob beide Hände, brachte die Wasserteilchen der Luft erneut unter seine Kontrolle und sorgte dafür, dass sie sich zu schwebenden Tröpfchen verbanden. Aus diesen bildete sich dichter Nebel, der immer weiter wuchs und am Ende gleich mehrere verlassene Marktstände einhüllte. Für dieses Ergebnis musste Sergio sich enorm anstrengen, und lange würde er es wohl nicht aufrechterhalten können.
Trotzdem genügte es, wie man an der Stimme erkannte, die Sekunden später zu hören war: „Wo bist du, Feigling? Zeig dich!“ Kein Zweifel: Der Raufbold war auf den Platz zurückgekehrt und fand den Adepten nun im dichten Nebel nicht wieder. Sehr schön, denn so war es gedacht.
Sergio machte ein paar Minuten so weiter, und als er noch immer nicht aufgespürt worden war, ließ er den Nebel Nebel sein und trat aus ihm heraus. Ein kurzes „Hier bin ich!“, rief seinen Verfolger auf den Plan. Währenddessen löste sich der Nebel langsam auf.
„Ihr seid Teil einer Magieprüfung“, verkündete der Adept. „Euch droht keine Gefahr.“
Der Mann hielt inne, ein paar Meter entfernt. „Du bist ja wohl komplett irre! Du hättest mich fast umgebracht!“
„Ich habe absichtlich danebengezielt.“
„Ach, wirklich? ... Weißt du was? Das ist mir scheißegal! Ich bin nicht dein beschissener Versuchsscavenger!“
„Scavenger? Heißt es nicht Kaninchen?“
„Dir hau ich aufs Maul!“
Der Raufbold stürmte wieder los. Derweil schickte Sergio seine Magie in das Bewusstsein des anderen und spürte die rasende Wut sofort. Der gute Mann war offenbar so sauer, dass sein Hirn wohl schon kochte. Der Schüler verband die magische Energie mit dem intensiven Gefühl, verstärkte nach Kräften den Fluss der Magie und beeinflusste so die Wut. Kurz bevor die erste Faust fliegen konnte, war der Ärger verflogen. Die Wirkung des Zauberspruchs, ganz eindeutig.
Der Besänftigte schöpfte seltsamerweise keinen Verdacht (anscheinend hatte er Sergios Handbewegung keine Beachtung geschenkt) und geriet nicht erneut in Rage. Stattdessen sagte er: „Ach, lass mich doch in Ruhe. Dämlicher Magier ...“ Dann stapfte er davon.
Sergio kehrte zu Turang zurück, der das Ganze aus sicherer Entfernung beobachtet hatte. „Und? Was sagt Ihr?“