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World of Gothic



01. Murdra | 02. Das Messer | 03. Rauch im Gebirge | 04. Gerüchte vom Kontinent | 05. Groms Hand | 06. Der hölzerne Wirt | 07. Der Fremde | 08. Der schwarze Krieger | 09. Ped | 10. Nummer drei | 11. Holz auf Stein | 12. Blutnattern | 13. Die Freiwilligen I | 14. Die Freiwilligen II | 15. Zum später zahlen | 16. Tot ist tot | 17. Schuld |



Von Hans-Jörg Knabel

Orks im Bluttal nach einer Schlacht. In diesem Wald besiegte auch Ethorn VI Lord Tronter.
Eine schwere Wolke aus dichtem, schwarzem Rauch lagerte über dem Bluttal, quoll langsam die steile Westflanke des Weißaugengebirges empor; hoch und immer höher. Murdra betrachtete die Wolke mit einem argwöhnischen Funkeln in den Augen. Ein hoher Wind erfasste den oberen Teil der Rauchwolke, riss sie auseinander und trieb finstere Schwaden von den Steilwänden weg, in Richtung Stewark. Es mochte Einbildung sein, aber Murdra glaubte, den Rauch bereits riechen zu können, und der Geruch bescherte ihr eine Gänsehaut.
»Verfluchter Krieg«, knurrte sie, dann riss sie ihren Blick von der Rauchwolke los und stapfte zum hinteren Teil des Kräutergartens. Dichtes Stimmengewirr drang aus dem Schankraum an ihre Ohren, Gezeter und wütende Rufe waren vom Hof her zu hören, dann hallte jäh ein Schmerzensschrei über das gesamte Anwesen.
»Feuernessel und Feuerkraut«, murmelte Murdra vor sich hin und schob Äste und Blätter beiseite. Viel war nicht mehr da. Eilig pflückte sie, was sie noch finden konnte, und legte es in ihren Weidenkorb. Durch eine breite Lücke im Lattenzaun sah Murdra zwei Männer den Weg entlanghumpeln, der vom Bluttal zu ihrer Taverne führte. Nicht noch mehr, dachte sie und richtete sich auf. Dann erblickte sie in der Ferne noch eine Gestalt, die im Laufschritt in Richtung der Gespaltenen Jungfrau lief. Murdra drehte sich schnaubend um und stapfte zurück zur Küchentür.

»Das ist alles, was wir noch haben«, sagte Belgor, als Murdra die Küche betrat. Vor ihm standen drei Holzschüsseln, nur zur Hälfte mit Fleischsuppe gefüllt. Neben den Schüsseln lagen zwei dünne Scheiben Brot.
»Das geht nicht mehr raus!« entschied Murdra im Vorbeigehen. »Wir müssen auch essen.«
Am Tisch neben dem Herd füllte der Knecht Wasser in Metkrüge. Das Met selbst war längst ausgegangen, auch das, das sich auf den Karren der Fuhrleute befunden hatte, die wegen der Schlacht im Bluttal auf dem Hof der Gespaltenen Jungfrau gestrandet waren. Als Murdra vor zwei Tagen in den Hof ging, um es zu holen, hätte es fast einen Aufstand gegeben. Die Fuhrleute protestierten lautstark, aber Murdra sah gar nicht ein, dass ihre Vorräte geplündert wurden, während die Waren auf den Karren, die ihren Hof verstopften, unangetastet blieben. Sie hatte ihren Mann bei sich und den Knecht und sieben kräftige Holzfäller mit Knüppeln. Nach einem kurzen Streit und einer gebrochenen Nase war die Sache geregelt. Die Holzfäller wuchteten die Fässer von den Karren und rollten sie in den Vorratskeller der Taverne. Gestern hatten sie dann alles Essbare von den Karren geholt, doch schon jetzt war nichts mehr davon übrig.
Murdra nahm einen Krug mit Wasser vom Tisch, löste die Kette, die sie vor die Küche gespannt hatte, und zwängte sich mit ihrem Korb und dem Krug in den Schankraum. Hier standen Bauern und Holzfäller, Fuhrmänner und Soldaten dicht an dicht. Der Gestank von Rauch, Schweiß und Blut hing in der Luft. Ein pockennarbiger Soldat versperrte Murdra den Weg zur Treppe. Seine Stirn war von einem schmutzigen Verband umwickelt, sein linker Arm steckte in einer Schlinge, die ihm vom Hals hing.
»Wasser?« brüllte der Soldat Murdra an und streckte ihr wütend den Metkrug entgegen. »Was soll ich damit?«
»Weg da!« zischte Murdra, packte den Soldaten rüde am gebrochenen Arm und schob ihn beiseite. Dann war sie auf der Treppe und stieg in den ersten Stock hinauf. Auch hier drängten sich die Leute. Dreckspack, dachte Murdra und schob sich zwischen ihnen hindurch, auf die überdachte Holzbrücke, die das Haupthaus mit dem Stall verband.

Unter ihr herrschte das Chaos. Karren, Ochsen und Zelte standen kreuz und quer im Hof. Dazwischen drängten sich Fuhrleute und verletzte Soldaten. Vor dem Stall lagen vier Leichen, nur notdürftig mit Tüchern bedeckt. Es stank nach Ochsendung, verbranntem Fleisch und Verwesung.
Mitten im dichten Gedränge hatte einer der Fuhrmänner seine Ochsen vor den Karren gespannt. Eine wütende Menge umgab ihn.
»Der Karren bleibt, wo er ist!« brüllte ein stämmiger Händler.
»Glaubst du wirklich, ich warte, bis Lord Tronter mit Ethorn von Setarrif fertig ist und seine Männer nach Stewark schickt?« brüllte der Fuhrmann zurück. »Räum‘ besser dein Zelt weg, Mill, sonst treib‘ ich meine Ochsen mitten durch!«
»Versuch‘ es, und ich brech‘ dir den Kiefer!« dröhnte der Händler und baute sich mit geballten Fäusten vor dem Fuhrmann auf.
Das muss warten, entschied Murdra und ging weiter über die Brücke. Unten im Hof wurden Drohungen und Beleidigungen gebrüllt. Neben der Tür zum Gemeinschaftsschlafsaal kauerte Jilvie, die junge Jägerin. Ihr Gesicht war über und über verschmiert, mit Blut und Asche und Dreck. Ihr Bogen war zerbrochen, aber sie umklammerte ihn fest mit beiden Händen.
»Hier«, sagte Murdra und hielt ihr den Metkrug mit dem Wasser hin.
Jilvie schaute sie mit müden Augen an. »Sie ... sie haben uns erwartet«, stammelte sie, »Grom, ich ...« Ihre Worte lösten sich in Schluchzen auf. Tränen flossen ihr über die Wange. Murdra beugte sich zu ihr runter und schob ihr den Metkrug in die Hand. »Trink«, sagte sie, dann klopfte sie Jilvie unbeholfen auf die Schulter und trat durch die Tür in den Schlafsaal.

Burg am Ausgang der Büßerschlucht (unten links).
Auch hier herrschte ein dichtes Gedränge. Auf jedem einzelnen Bett lagen mindestens zwei Verwundete. Andere saßen auf den Dielen und lehnten sich erschöpft gegen die Wände. Stöhnen und Klagen erfüllte den Raum. Grom lag bewusstlos auf dem großen Eichentisch in der Mitte des Schlafsaals. Sein Bein war ab. Blut tropfte von der Tischplatte, bildete eine große Lache auf dem Dielenboden.
»Da bist du ja«, sagte Danken, der Heiler, während er die Säge auf den Tisch legte. Sein Gesicht und seine Schürze waren voller Blut.
»Mehr gibt’s nicht«, sagte Murdra und drückte ihm den Korb mit den Kräutern in die Hand.
»Hoffen wir, dass Ricklen die Heilpflanzen, die ich brauche, im Orkwald findet«, sagte Danken und wandte sich Craglan, dem Großmeister der Waldläufergilde, zu, dem ein Pfeil aus der Seite ragte. Murdra verzog angewidert das Gesicht.
»Ricklen ist ein guter Mann«, stöhnte Craglan und hustete. »Er wird dich nicht enttäuschen.«
Danken studierte Craglans Wunde aufmerksam. »Du hast den Pfeil abgebrochen«, sagte er nachdenklich und schüttelte betrübt den Kopf. »Wenn die Rippen gebrochen sind, könnte das Knochenmark ins Blut eindringen. In dem Fall wirst du Fieber bekommen und sterben. Oder es bildet sich eine Zyste, und du wirst leben.«
»Verfluchte Paladine«, knurrte Craglan mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Irgendjemand muss ihnen unseren Plan verraten haben.«
Murdra konnte sich denken, wer es war. Sie sah das Fleischermesser, das aus Gonters Rücken geragt hatte, noch deutlich vor sich und auch die Gestalt im schwarzen Kapuzenumhang, die rennend zwischen den Bäumen des Orkwaldes verschwunden war. Aber sie schwieg.
»Erzähl weiter«, sagte Danken geistesabwesend zu Craglan und kramte eine große, metallene Zange aus seiner Tasche. »Oh«, entfuhr es Murdra. Sie wandte sich hastig der Tür zu und wollte gehen, doch Danken hielt sie am Arm zurück und bedeutete ihr mit seinen Blicken, sie solle Craglan festhalten.
»Sie haben uns am Ausgang der Jägerschlucht in eine Falle gelockt und von Ethorn und seinen Männern abgeschnitten« sagte Craglan, während Danken seine Zange in die Flamme einer Fackel hielt. »Das war vor vier Tagen! Keiner hätte gedacht, dass die Schlacht so lange dauern würde. Keiner!«
»Es heißt, Lord Tronter habe doch Hilfe vom Kontinent bekommen«, warf der Soldat ein, der neben Craglan auf dem Boden saß.
»Manche sagen sogar, Heerführer Lee habe die Schlacht im Bluttal persönlich angeführt«, fügte einer der Bogenschützen hinzu.
»Unsinn!« schrie Craglan, als Dankens Zange den Pfeilstumpf berührte. Er versuchte, sich aufzubäumen, aber Murdra presste ihn mit aller Kraft auf den Boden. »Unsinn!« schrie er gleich noch einmal, als Danken den Pfeilstumpf in der Wunde bewegte. Dann sackte er schlaff in sich zusammen.
»Weg ist er«, stellte Murdra fest und lockerte ihren Griff.
»Besser so«, sagte Danken und versuchte mithilfe der Zange, die Pfeilspitze in der Wunde zu drehen. Da riss Craglan die Augen auf und grunzte vor Schmerz. Verflucht, dachte Murdra und spannte ihre Muskeln an.
»Heerführer Lee«, sagte Danken geistesabwesend und drehte die Pfeilspitze noch etwas weiter. Der Großmeister der Waldläufergilde biss die Zähne zusammen und klammerte sich merklich an den Gedanken, den der Heiler ihm hingeworfen hatte. »Wie ... wie hätte er Tronter so schnell zu Hilfe eilen sollen? Es ... es ist unmöglich. Außerdem«, er unterbrach seinen Satz für ein gedehntes Röcheln, »hat er seine eigenen Probleme, oben, in Myrtana.«
»Was ist mit Ethorn?« fragte Danken und wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel von der Stirn.
»Wir haben ihn nur aus der Ferne gesehen«, antwortete Craglan und knurrte vor Schmerz. »Hilfstruppen waren bei ihm. Männer von Torgaan. Wenn ihn jemand gerettet hat, dann die schwarzen Krieger von der Dschungelinsel. Es heißt, sie brauchen keine Hoffnung, um zu siegen. Und Hoffnung gab es da schon lange keine mehr.«
Danken nickte Murdra zu. »Jetzt«, zischte er und packte die Zange mit beiden Händen. Murdra presste den Großmeister der Schützengilde mit aller Kraft auf den Boden. Danken riss die Zange zur Seite. Craglan brüllte vor Schmerz, dann sackte er kraftlos in sich zusammen. »Das war’s«, sagte Danken und hielt die blutige Pfeilspitze mit der Zange in die Luft.

Murdra hatte genug. Sie konnte Hühner schlachten und auch Ziegen, aber das Heilen schlug ihr kräftig auf den Magen. Raus hier, war alles, woran sie denken konnte, und sie stürzte aus der vorderen Tür des Schlafraums, hinaus, auf die überdachte Brücke, die den Stall mit dem Haupthaus verband. Dort blieb sie stehen, lehnte sich mit beiden Armen aufs Geländer und atmete tief durch. Unter ihr wälzten sich der Fuhrmann und der Händler, die sich zuvor schon gestritten hatten, ringend im Dreck.
Murdra beobachtete die beiden eine Weile, dann bemerkte sie den jungen Mann in der leichten Rüstung, der durchs Tor auf den Hof der Gespaltenen Jungfrau rannte. Er blieb erschöpft stehen, beugte sich vornüber und rang nach Luft. Dann richtete er sich auf und rief: »Gewonnen! Die Schlacht ist gewonnen!«
Stille legte sich über den Hof der Taverne. Alle Blicke waren auf das Tor und den jungen Soldaten gerichtet. Selbst die beiden Ringer unterbrachen ihren Kampf.
»Ethorn von Setarrif hat Lord Tronter im Zweikampf besiegt«, rief der junge Soldat ganz außer Atem. »Der Statthalter Myrtanas und seine Heerführer zieren die Käfige der Büßerschlucht. Ethorn ist König von Argaan!«
Keiner sagte etwas. Dann erklang eine einzelne Stimme. »Hoch lebe Ethorn VI.«, rief sie. »Hoch lebe der König von Argaan!« Weitere Stimmen übernahmen den Ruf, dann jubelte der ganze Hof.
Wieder glaubte Murdra, Rauch riechen zu können, aber diesmal haftete dem Geruch nichts Bedrohliches an. »Hm«, sagte sie erleichtert, dann stapfte sie runter, in ihre Küche.

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