01 Rollenspielaktivität ausgeschaltet |
02 Potemkinsches Rollenspiel |
03 Du kommst hier nicht rein |
04 Auf der Suche nach dem Gameplay |
05 Arcania - Noch Fragen? |
06 Xbox 360: Test |
07 Xbox 360: Fazit |
08 Interview mit meditate |
09 Technik-Test: Installation & Kopierschutz |
10 Technik-Test: Tuningtipps |
11 Technik-Test: Benchmarks |
Arcania - Gothic 4:
Rollenspielaktivität ausgeschaltetEigentlich sollte hier ja ein Review stehen, in dem das Spiel aus der Sicht des Gothic-Spielers bewertet wird, indem Arcania in allen Aspekten mit den Vorgängern verglichen wird. Doch so ein direktes Vergleichs-Review wäre sehr kurz geworden. Denn viel ist nicht übrig geblieben zum Vergleichen. Daher ein ganz normales, das auf das Spiel an sich eingeht und sich gar nicht ständig an Inhalt und Spielgefühl der Vorgänger orientiert, sondern versucht, es aus allgemeiner Rollenspielsicht zu bewerten. Denn nicht überall, wo Gothic drauf steht, ist auch Gothic drin.Questgeber – Ausrufezeichen. Spieler – Fragezeichen Auf der beschaulichen Insel Feshyr beginnt das Abenteuer |
Die Startinsel Feshyr und die Ereignisse dort kennt jeder, der die Demo angetestet hat, schon ein wenig. Als schlecht träumender Schafhirte denkt man an nichts Böses und wird plötzlich von Ivy, einer Dorfschönheit geweckt. Sie soll jetzt unsere Freundin sein und wir sollen sie heiraten. Haben die Entwickler beschlossen. Na gut, dann soll es eben so sein. Irgendwie muß ja jede Geschichte anfangen. Ab ins Dorf, den Vater um ihre Hand bitten. Die ersten Hol- und Bringequests erwarten uns: Hole einen Dolch, bringe zehn Pilze, hole drei Hirschgeweihe, vertreibe einen Schmuggler. Damit mich diese komplizierten Aufgaben nicht überfordern, kann ich optional diverse Hilfen einschalten. Minimap mit Questradar, Ausrufezeichen über Auftraggebern und Zielpersonen, Texteinblendungen mit mehr oder weniger hilfreichen Hinweisen, Statuswerte, Schadensmeldungen. Da kann ja nichts mehr schief gehen. Mit den ersten Anfangsquests ist man dann auch schon an die Queststruktur gewöhnt, die im restlichen Spiel wartet.
Schlecht geträumt? Und ob! Ein totaler Albtraum: ich mußte mich spielerisch komplett sinnlos durch ne Höhle voller Untoter metzeln.
Was er will? Na seine Tochter gegen ein rostiges Brotmesser und drei Hirschgeweihe verschachern.
Morgens halb neun auf Feshyr: Typisches Mutter-Sohn-Gespräch. |
Denn schon die Demo enthält alles, woran dann auch das restliche Spiel krankt: Neben eher altbackenen Questaufgaben zum Teil merkwürdige Dialoge einhergehend mit unlogischer Storypräsentation. Wieso weiß irgendein Dorfhansel über die Schwangerschaft meiner Freundin bescheid, ich aber nicht? Wieso will Ivy unbedingt in ein Kriegsgebiet ziehen und „Abenteuer erleben“? Wozu braucht sie mich dazu, wenn sie doch selbst Jägerin ist und sich verteidigen kann? Wer ist dieser Knut und wieso ist der auch hinter Ivy her? Wieso haben mir die ca. 10 Bewohner meines eigenen Heimatdorfes fast alle nichts zu erzählen und sind obendrein auch noch größtenteils völlig anonym und namenlos? Wo in anderen Spielen so ein Anfang genutzt wird, um tonnenweise einfache Quests – die vielleicht auch noch miteinander verschachtelt sind – zu vergeben, herrscht hier geradezu gähnende Leere.
So bleibt genug Zeit, um Fragen aufkommen zu lassen. Woher kenne ich Diego? Wieso muß ich plötzlich zu einer Hexe, wer ist sie und in welchem Zusammenhang steht sie mit den Dorfbewohnern? Wieso wird mir ausgerechnet von ihr mal eben so erzählt, daß ich ein Findelkind bin und weshalb spielt diese Erkenntnis im gesamten Spiel später überhaupt keine Rolle mehr? Wieso sagt meine Mutter nichts dazu? Was soll diese ganze Story dann? Und wieso kann ich nicht selbst entscheiden, ob ich bei Tageslicht oder in der Nacht spielen möchte, sondern muß den Tag- und Nachtwechsel ohne jede Einflußmöglichkeit
Viel zu erzählen hat kaum ein NPC. Das läßt Fragen offen und verhindert Identifikation mit der Welt. |
über mich ergehen lassen? Was für ein kapitaler Designschnitzer. Aber egal, die Dinge nehmen ihren Lauf, ich arbeite die halbgaren Quests für meinen Schwiegervater in spe ab und nachdem ich überall brav hingeseppelt bin und alle von den Entwicklern verteilten Gegner erledigt habe, darf ich mir den Renderfilm vom Untergang des Dorfes ansehen. Jetzt ist Ivy also tot. Aha. Und der Rest des Dorfes auch. Inklusive dem Nebenbuhler Knut. Ist mir irgendwie ziemlich egal. Die meisten waren ja sowieso nur Fremde ohne jede Dialogoption. Wieso sollte ich denen nachweinen? Apropos nachweinen: Den Bugs aus Gothic 3 weint auch niemand hinterher. Arcania ist hingegen nahezu fehlerfrei. Mal was positives.
Bitte nicht stehenbleiben! Weitergehen! Hier gibt es nichts zu sehen. Arcania-Demo Wer noch schwankt, ob er sich Arcania kaufen soll oder lieber nicht, der kann sich zuerst einmal an der Demo probieren, die Jowood fairerweise schon vor Veröffentlichung des Titels veröffentlicht hat. Durch die Demo kann man einen guten Eindruck von der Grafik und den typischen Dialogen des Spiels erhalten. Auch die Quests zeigen, wie in etwa viele Nebenmissionen des Hauptspiels auch aussehen. In den ersten Stufenaufstiegen kann man einige Fähigkeiten steigern und in Kämpfen verschiedene Gegner besiegen. Ein extra für die Demo angefertigtes Höhlenlevel an deren Ende zeigt auch schon fortgeschrittenere Ausrüstung und härtere Gegner, die erst später im Spiel auftauchen. Mit Diego ist auch schon eine der alten Gothic-Figuren an Bord. Nur die Haupthandlung und ihre Geschichte entfaltet sich in der Demo noch nicht. Demo-Download (insgesamt 1,7 GB) |
Knut ist gar nicht tot. Er lebt jetzt unter anderem Namen auf Argaan. Oder hat einfach sehr viele Zwillingsbrüder. Bald, nachdem man auf Argaan angekommen ist, erkennt man ihn in Grengar wieder. Und in Hank. Und in Garv. Und in Worgan. Und das innerhalb der ersten Spielstunden auf Argaan. Das Köpfe wiederverwertet werden, mag ja Spielealltag sein. Trotzdem hätte man die Klone ja wenigstens etwas stärker individualisieren können. Oder nicht ganz so oft verwenden. Egal. Man konzentriert sich auf anderes. Im Startgebiet läuft man zuerst über Wiesenhügel, fühlt sich ein wenig an die Landschaft der ersten Spielstunden aus Gothic 3 erinnert und freut sich über die frei zugängliche Welt, schnetzelt ein paar Blutfliegen und Wölfe. Doch leider bemerkt man nach einer Weile, daß es eigentlich kaum etwas zu entdecken gibt. Neugier und Eigeninitiative werden nicht belohnt. Keine kleinen Höhlen am Wegesrand, keine verlassenen Lager, keine interessanten Orte unter ausladenden Bäumen, keine vergessenen Truhen hinter Felsbrocken. Es gibt nichts zu sehen. Man bekommt keine Chance, seinem Questziel zu entgehen. Fehlt nur ein uniformierter Knecht der Obrigkeit, der jeden Wanderer, der stehenbleiben will, mit strenger Miene weiterwinkt. Am einen Ende des Weges wartet der Auftraggeber, am anderen befindet sich meist eine Höhle mit ein paar Goblins, die irgendein Item gemopst haben, das es zu holen gilt. Zufälligerweise sind nahezu alle Höhlen in ihrem Verlauf kreisförmig gebaut und der Höhlengang führt somit über kurz oder lang wieder zum Eingang zurück, so daß dem faulen Spieler das Zurücklaufen abgenommen wird. Das Verirren zu verhindern, kann jedenfalls die Motivation für derartiges Höhlendesign nicht gewesen sein, denn die Höhlen haben fast nie Abzweige, sondern bestehen nur aus einem Gang, den man abgrast. Danach gehts den Weg zurück zum Auftraggeber.
Nachdem der geneigte Fan jahrelang mit den spannenden und stimmungsvollen Geschichten aus der Gespaltenen Jungfrau unterhalten wurde, ihm dabei zahlreiche Figuren, besonders die der Wirtin Murdra, nahegebracht wurden, erwartet man mit dem Gasthaus einen Anlaufpunkt, der auch tatsächlich eine Art Zentrum des Spieles darstellt. Aber weit gefehlt. Nicht nur, daß im Gasthaus völlig tote Hose herrscht, die NPC-Gäste allesamt stumme, stocksteif herumstehende, namenlose Reisende sind, die nichts mitzuteilen haben, keine geschäftige Bedienung herum läuft und keinerlei stimmungsverbreitende Maßnahmen vonstatten gehen. Auch Murdra hat nicht allzu viel zu erzählen. Ein völliger Gegensatz zu der Stimmung, die in den Geschichten aufgebaut wurde, herrscht hier. Und nachdem man drei, vier Hol- und Bringequests im Startgebiet erledigt hat, um am Ende im Alleingang ein Räuberlager auszuheben, daß seit Wochen die ganze Region und ihre Bewohner zum Stillstand verdammt hatte, sieht man die Taverne und die aus den Geschichten so bekannten und einem vielleicht auch ans Herz gewachsenen Bewohner fast alle nie wieder. Sie spielen einfach keine Rolle mehr in der Geschichte. Zu mehr als den ersten paar Levelaufstiegen waren sie nicht gut. Man fragt sich, wozu sich die Arbeit um diese ganzen wundervollen Tavernengeschichten im Vorfeld gemacht wurde. Sehr schade drum.
Im Spiel erwartet einen der völlige Gegenentwurf zu den lebensprallen Gasthäusern des Witchers, wo Würfelspiele, Faustkämpfe, Bardengesang, Questgeber und vornehme Reisende die Szenerie füllten, Gelächter, Gemurmel, Gegluckse, Feuerknistern, Musik und Geschrei, Geplärre und lautes Rülpsen den passenden Sound dazu lieferten. Erinnert sich noch jemand an die Taverne in Gothic II, die Tote Harpyie? Sie stellte einen echten Mittelpunkt dar, war über das Spiel hinweg Ausgangspunkt zahlreicher Quests, echter Treffpunkt einer Gilde, kurzum: mit ihren damals steif animierten und kantigen Figuren wirkte sie trotzdem lebendig. Nicht so in Arcania. Man bewegt sich durch ein großes Panoramagemälde. Weiter, weiter, immer nur schnell vorwärts geht der Weg. Der Held wirkt wie ein Getriebener. Aber nicht wegen seiner Rachegeschichte, die über weite Strecken des Spiels gar nicht thematisiert wird, sondern eher, weil er vor der Leere, die er hinter sich läßt, davon läuft. Alles wirkt statisch und kulissenhaft. Tagesabläufe sucht man vergebens. NPC haben nicht viel zu sagen, die Dialoge sind schnell durchgeklickt, die von irgendwo geholten Gegenstände schnell abgegeben und dann herrscht auch schon das große Nichts und in peinlichem Schweigen geht man auseinander. Also auf ins nächste Gebiet. Wo wieder ein paar Laufburschenquests warten. Nebenbei: Die straßensperrenden Räuber scheinen vor ihrem Berufswechsel Zimmerleute gewesen zu sein und gingen beim Lagerbau mit deutscher Gründlichkeit vor. Das improvisierte Räuberlager entpuppt sich als fester, palisadenumwehrter Hof mit massivem Tor, der seltsamerweise unbehelligt mitten auf dem Weg gebaut wurde und ihn seitdem versperrt. Aber das ist nicht die einzige Stelle, an der man sich wundert.
geschrieben von Don-Esteban