"Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie cool sich das anfühlt, wieder in diese World of Gothic zurückzukommen, also in die Welt, die wir damals gemeinsam erschaffen haben. Das betrifft das Spiel selbst, das betrifft die Community, das betrifft die Nähe zu den Fans, die Modding-Community, das betrifft World of Gothic selbst als ganz wichtigen Aspekt und das betrifft auch ein bisschen die Herangehensweise an die Entwicklung."
WorldofGothic: Schön, dass du Zeit gefunden hast, uns einige Fragen, die sicher auch die WoG-Community interessieren, zu beantworten, Kai. Wie bist du eigentlich Teil des Remake-Projekts geworden? Wurdest du angesprochen oder hast du auch aktiv Kontakt gesucht?
Rosenkranz: Ich wurde von Reinhard (Pollice, dem Producer) ungefähr zu der Zeit angesprochen, als der Playable Teaser raus kam. Vorher wusste keiner etwas davon, dass es dieses Projekt gibt – auch ich nicht. Reinhard sagte zu mir: „Kai, wir droppen da was und es wäre großartig, wenn du mit dabei bist.“ Und da hab ich mich natürlich nicht zweimal fragen lassen.
WorldofGothic: Wie stark bist du in das Entwicklerteam eingebunden? War die räumliche Distanz eine Herausforderung?
Rosenkranz: Ich bin in alle Prozesse, die den Audio-Bereich betreffen, natürlich sehr eng eingebunden und letztendlich hab ich da auch die Möglichkeit, mich kreativ zu entfalten und mir auch das Feedback und den Input von den Designern zu holen, den ich für meine Arbeit brauche. Es war ursprünglich vorgesehen, dass ich auch in andere Designprozesse intensiver eingebunden bin und auch so ein bisschen ein Auge darauf haben kann, dass die Sachen sich authentisch nach Gothic anfühlen und im Sinne des Original-Spirits sind. Es finden aber viele Prozesse in Barcelona vor Ort persönlich im Meeting-Raum statt und deswegen ist es für mich eher schwierig, da immer dabei zu sein. Deshalb wurde dieser Anteil immer weiter runtergefahren und inzwischen bekomme ich die Sachen auch erst mit, wenn sie fast fertig sind. Das habe ich auf meiner Liste für das Gothic 2 Remake – wenn es denn dazu kommt – dass wir den Prozess vielleicht noch einmal ändern, aber andererseits liegen da 1200 km zwischen uns. Deswegen ist das sicher auch nachvollziehbar, dass das schwierig ist.
WorldofGothic: Wie sieht dein Arbeitsablauf aus? Erhältst du konkrete Beschreibungen oder bist du frei in deiner Arbeit?
Rosenkranz: Ich bekomme keinen musikalischen Input. Also nicht im Sinne von „Mach mal Musik, die sich so und so anhört“. Ich bekomme aber durchaus emotionalen Input. Den hole ich mir aktiv. Ich schaue mir eine bestimmte Location an, zum Beispiel das Lager der Banditen. Das hat im Originalspiel noch keine eigene Musik, aber es ist im Remake schön geworden und hat auch eigene Musik verdient. Über Quentin weiß man zwar nicht viel, doch ich habe mich dann mit den Autoren und Designern zusammengesetzt und wir haben uns gefragt, was das für ein Typ ist und was für einen Vibe dieses Lager haben soll, wie stellt ihr euch Quentin und die Stimmung im Lager vor? Ich habe dann ganz viele Einzelstimmen aber auch Konsensmeinungen auf der emotionalen Ebene bekommen und darauf aufbauend habe ich dann die entsprechende Musik erstellt. Und genau so funktioniert es überall in der Spielwelt.
WorldofGothic: Wie hat es sich nach all der Zeit angefühlt nochmal an dieses Projekt heranzugehen mit dem du ja quasi erwachsen geworden bist? Was nimmst du aus deiner Arbeit an den früheren Gothic-Teilen mit in das Projekt des Gothic-Remakes?
Rosenkranz: Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie cool sich das anfühlt, wieder in diese World of Gothic zurückzukommen, also in die Welt, die wir damals gemeinsam erschaffen haben. Das betrifft das Spiel selbst, das betrifft die Community, das betrifft die Nähe zu den Fans, die Modding-Community, das betrifft World of Gothic selbst als ganz wichtigen Aspekt und das betrifft auch ein bisschen die Herangehensweise an die Entwicklung. Ich habe nun schon viele Entwicklungskonzepte und Strukturen miterlebt. Und es ist schön zu sehen, das auch im Alkimia-Team so ein bisschen etwas von diesem Zauber, der damals auch vorherrschte in diesem visionären Geist auch wieder zu spüren ist.
WorldofGothic: Gibt es bestimmte Instrumente oder Klangfarben die du bis heute besonders mit Gothic verbindest?
Rosenkranz: Ich finde, es ist typisch für Gothic, das im Mix ich etwas gemacht habe mehr oder weniger aus Naivität und Unwissenheit, nämlich die Percussions auch in ganz viel Hall zu ertränken. Das macht man normalerweise nicht, habe ich mir inzwischen sagen lassen, aber deswegen ist das ja vielleicht auch ein bisschen eigenständig, dass auch die Trommeln so eingehüllt sind in Hall und dadurch einen etwas eigenen Sound haben. Deshalb hab ich mir das trotz besseren wissen auch beim Remake gegönnt, die Hallregler bei den Percussions auf Anschlag zu stellen.
WorldofGothic: Gab es Musikstücke, bei denen du dich gefreut hat, sie nochmal besser auflegen zu können, weil du persönlich nicht mehr zufrieden damit warst und gab es auf der anderen Seite auch quasi „heilige“ Musikstücke, die du möglichst wenig verändern wolltest?
Rosenkranz: Insgesamt ist es so, dass die Musik im Gothic Original eigentlich viel zu kurz ist, das heißt die größte Freude besteht für mich darin, dass ich in diese Originalideen gehen kann und diese einfach zu vollständigen Tracks ausbauen. Ich glaube, wenn man die komplette Old-Camp-Musik aus dem Originalspiel am Stück mal hören würde – und das ist ja gar nicht so leicht, weil es ja im DirectMusicProducer live performt und aus zufallsschnipseln zusammengesetzt wird – wenn man das Material aneinander hängen würde, sind es vielleicht anderthalb Minuten oder vielleicht auch nur eine Minute – das weiß ich gar nicht genau – und das Alte-Lager-Thema ist jetzt bei etwa 7 Minuten. Und das ist schön, denn das haben diese Locations auch verdient und das gibt die Playtime auch her, also die Zeit, die man in den Camps verbringt, deshalb hat mich das am meisten gefreut, dass ich da nochmal ran kann.
Heilige Musikstücke, die möglichst unangetastet bleiben sollen, gibt es nicht. Ich bin grundsätzlich ein Freund von Veränderungen und Neuinterpretationen, aber ich finde, dass das Titelthema schon irgendwie zur DNA von Gothic mit dazu gehört und deshalb ist das das Stück, das ich am originalgetreuesten einfach noch mal neu als Remaster gemacht habe. Von der Struktur, vom Aufbau und vom Tempo her ist es quasi eins zu eins das Original – nur eben in moderner. Bei den anderen Stücken gibt es immer ein Element, das irgendwie anders ist, sei es das Tempo, die Instrumentierung, die Abfolge der einzelnen Passagen, die ein bisschen anders ist als im Original, aber beim Titelthema bin ich echt bei der Vorlage geblieben.
WorldofGothic: Im Ursprungsspiel wurde die Musik mit dem DirectMusicProducer gebaut bzw. fast programmiert, was an sich sehr aufwendig war, aber dadurch Musik ermöglichte, die sehr dynamisch und arm an Wiederholungen war. Gab es Bestrebungen das in irgendeiner Weise im Remake zu wiederholen?
Gibt es bestimmte technische Möglichkeiten, die du diesmal nutzen konntest, die früher nicht realisierbar waren?
Rosenkranz: Dass die Musik für das Remake interaktiv oder adaptiv sein muss, ist, glaube ich, allen Beteiligten klar gewesen. Gerade bei einem Spiel, in dem sich die unterschiedlichen Spielintensitäten – also ich laufe herum, exploriere, erkunde die Welt oder kämpfe oder werde bedroht und so weiter – sich ganz unterschiedlich anfühlen, die Handlungsorte sich unterschiedlich anfühlen, die Tageszeiten sich unterschiedlich anfühlen. Da ist es völlig klar, dass man da mit der Musik irgendwie mitgehen muss. Und deshalb war es nicht die Frage, ob und bis zu welchem Ausmaß wir das machen, sondern das Ausmaß ist mindestens so, wie bei Gothic im Original. Die technische Herangehensweise darunter hat sich verändert, aber mit der gleichen Zielsetzung und mit der gleichen Liebe zum Detail. Die Technologie, die wir verwenden heißt FMOD. Und diese Middleware bietet schon fast alles, was ich dafür brauche – man muss nur ein bisschen was dazu bauen, Spezial-Logiken, wie zum Beispiel, wenn ich das erste Mal in eine Location komme, dann war es mir wichtig, dass man immer den ikonischen Anfang des Musikstückes hört. Ich laufe zum Beispiel durch das Tor des Alten Lagers und ich möchte mit den ersten Noten begrüßt werden, mit denen ich auch im Originalspiel begrüßt wurde. Und das Gleiche dann eben auch im Neuen Lager und so weiter. Das heißt, wir haben noch etwas Sonderlogik ergänzt, die das Tüpfelchen auf dem i ist: Wenn ich das erste Mal in eine Location komme, wird die Musik von Anfang an gespielt. Dann merkt sich das Spiel, dass der Spieler schon einmal dort war und beim nächsten Mal würfelt er die Startposition, so dass man jedes Mal, wenn man erneut an eine Location kommt, an einer anderen Stelle dieses Sieben-Minuten-Stücks anfängt. Die Anfangspunkte hab ich immer von Hand eingetragen, das heißt, es ist musikalisch von mir kuratiert, dass es immer einen sinnvollen Einstieg gibt.
WorldofGothic: Wovon – außer dem Original – hast du dich inspirieren lassen, als du die Musikstücke für das Gothic Remake komponiert hast? Gibt es da besondere musikalische (z.B. Instrumente, Künstler) oder auch visuelle (z.B. Bilder) Inspirationen?
Rosenkranz: Was die Inspirationen angeht, hat sich meine Herangehensweise ein bisschen verändert. Beim Original Gothic habe ich wirklich ganz bewusst Stücke, die mich damals begeistert haben, zitiert. Das Neue-Lager-Thema zum Beispiel, da steckt ganz viel von The Rock mit drin. Inzwischen ist meine Arbeitsweise eine andere. Ich arbeite gar nicht mit Vorlagen. Ich mag das auch gar nicht so gerne, wenn man mir sagt „Mach mal ein Musikstück, dass so klingt, wie das …“, sondern ich beginne immer mit dem emotionalen Content eines Musikstücks. Ich lasse mir erklären und versuche selber zu begreifen, was das Musikstück emotional erreichen will und dann schließe ich mich wie in so eine Reiz-Black-Box ein, so dass ich möglichst eben keine Inspiration von außen bekomme, hänge mir vielleicht die Concept Arts an die Wand oder mache mir selbst emotionale Hilfszeichnungen und dann setze ich mich an mein Keyboard, drücke auf Aufnahme und lass die Musik einfach fließen. Und da kommt dann ganz viel bei raus, viel Material, was in die Tonne wandert. Und der zweite Schritt ist dann, da drüber zu gucken, was davon den emotionalen Nagel auf den Kopf trifft und dann schnappe ich mir diese Passagen, arbeite die aus und habe dann wirklich from scratch damit angefangen, ein neues Musikstück zu entwickeln. Und dann kommen vielleicht Einflüsse hinein, wo ich sage „Okay, die Orchestrierung hört sich ein bisschen nach Soundtrack XY an“, das ist dann aber keine Absicht, sondern das steckt vielleicht ein bisschen als Erinnerung, was mich damals bewegt hat, als musikalisches Bauteil in mir und das hört man dann vielleicht, aber das ist nicht bewusst so gemacht.
WorldofGothic: Gibt es Bereiche im Spiel, wo dir die Originalmusik nicht mehr gefällt und du sie im Remake gegen ganz andere Melodien ausgetauscht hast?
Rosenkranz: Ich finde insgesamt die Kampfmusiken vom Original nicht so gut. Die sind ein bisschen sehr schlicht und teilweise merkt man auch den Copy&Paste-Anteil darin, wo die Explorationsmusik nochmal ein bisschen schneller und ein bisschen intensiver gemacht wurde. Das Thema Kampfmusik habe ich deshalb noch einmal ganz neu angepackt.
WorldofGothic: Gibt es Gegenden im Minental, die im Original noch keine eigenen Musikstücke bzw. Erkennungssounds besaßen und die du nun im Remake endlich mit einer eigenen Hintergrundmusik besser darstellen kannst? Und wenn ja, welche? (Falls du das verraten möchtest.)
Rosenkranz: Es gibt unfassbar viele Gegenden im Minental, die jetzt Musik haben und die vorher noch keine eigene Musik hatten. Der Originalsoundtrack umfasst vielleicht 35 Minuten oder etwas in der Größenordnung. Ich bin jetzt – und das hab ich jetzt schon bei einigen Gelegenheiten erwähnt – bei ungefähr vier Stunden. Sei es – wie eben gerade schon erwähnt – das Lager von Quentin, sei es die Bergfestung, sei es das Kloster … Wir haben ja auch Stücke recycelt, wo ein Musikstück an mehreren Locations benutzt wurde … das alte Kastell, die Stonehenge, die Arena im Alten Lager, das Magierhaus, Gomez‘ Haus, die Dungeons unter dem Alten Lager. Die Wohnhöhle, der See, die Taverne im Neuen Lager, die Wassermagier, der Erzhaufen, die Dungeons … alles eigene Musikstücke. Die vier Stunden neue Musik sind tatsächlich zerlegt in ganz viele einzelne Locations.
WorldofGothic: Werden für die Musikaufnahmen echte Musiker Stücke einspielen oder ist dergleichen nicht angedacht? Ich erinnere mich an die Aufnahmen zum Soundtrack für Gothic 3, der von einem Orchester eingespielt wurde und sehr schöne und einzigartige Musik ergab, die dann allerdings im Spiel an manchen Stellen recht dominant war.
Rosenkranz: Ich hatte tatsächlich vor, auch mit Live-Musikern zusammenzuarbeiten. Ich bin zum Beispiel totaler Cello-Fan und wollte, dass das Cello ein authentisches Solo-Cello ist. Oder dass es ein French Horn gibt, was live eingespielt wird. Ich habe aber inzwischen für mich entschieden, dass meine aktuelle Arbeitsweise, mit Samples zu arbeiten und bis zum Letzten noch daran rumtüfteln und rumbasteln zu können im Moment besser gefällt und auch besser zum aktuellen Prozess passt, wo sich immer noch ein bisschen was ändert. Und dann kann ich die Musik nochmal rausholen und Sachen verschieben oder eine Oktave tiefer machen. Uund um die Zeit einfach noch für Iterationen nutzen zu können. Dieser Ansatz gefällt mir gerade sehr gut.
WorldofGothic: Wie können wir uns die Arbeit an einem neuen Musikstück oder einem Soundschnipsel für das Remake vorstellen? Nimmst du dir in jedem Fall das Original oder hast du manchmal auch ganz andere Ideen und lässt die alten Sachen aus dem Original dann bewusst beiseite? Wie entsteht denn ein neues Stück für den Gothic-Soundtrack?
Rosenkranz: Ich habe mir grundsätzlich immer als ersten Schritt den Originalsoundtrack angehört, wenn er denn vorhanden war und mir überlegt, welche Elemente daraus passen mir gut und möchte ich beibehalten und an welchen Stellen würde ich sagen, dass dort noch etwas dazwischen oder hintendran kann oder noch irgendwas anders gemacht werden sollte. An den Stellen, an denen es einen Original-Soundtrack gibt, ist das immer der Startpunkt gewesen. Und dann habe ich ja gerade schon ein wenig diesen Prozess, der sich an einem emotionalen Anker orientiert, beschrieben. Der gilt dann hier auch: Ich werde mir über die Emotionalität einer Szenerie bewusst, versuche mich in diese Stimmung zu versetzen, spiele dann das Originalthema und schaue, wo mich meine Finger dann hintragen, also wie man das sinnvoll fortsetzen kann. Oder vielleicht auch, wie man das sinnvoll kontern kann, ob man dem etwas entgegen stellen kann, was in dem ursprünglichen emotionalen Bild ein bisschen fehlte, jedoch ergänzt werden soll, damit das ein bisschen differenziert ist von der Emotion her.
WorldofGothic: Welche Aufgaben hast du alles bei der Erschaffung des Remakes übernommen. Die Arbeit am Soundtrack als „Master of Melodies“ kennen wir natürlich. Und auch deine Community-Arbeit, die dir ja auch am Herzen liegt. Gibt es weitere Bereiche, für die dein Input wichtig ist? Erklärer der damaligen Intention bei Detailfragen zum Original oder Ähnliches?
Rosenkranz: Ich bin grundsätzlich für alles im Audio-Bereich zuständig, was nicht die Sprache betrifft. Das sind naheliegend natürlich Musik und Sound. Aber auch auf einer etwas technischeren Ebene der Mix im Spiel, dass alles gut ge-balanced ist. Teilweise bis zu einem bestimmten Grad die technische Implementierung. Da ist mit dieser Middleware FMOD ein Weg geschaffen, wie ich auch selber Logik generieren kann, Regelwerke für die Musikinteraktivität eintragen kann. Das heißt das gehört ein bisschen zum Bereich Musik dazu, ist aber ein bisschen die zweite, technische Seite der Musik. Ansonsten gibt es Bereiche, in denen ich immer in Entscheidungsprozesse eingebunden werde. Da gebe ich dann einfach in Meetings Feedback zu Design-Ideen, zu Gesichtern, zu neuen Story-Ideen, zu neuen Quest-Ideen, wo ich dann mein Feedback äußern kann. Im Moment auch ganz viel zu den Cut-Scenes. Ich bin aber nur eine Stimme von vielen. Es ist nicht so, dass ich als Ur-Entwickler das Zepter in der Hand habe, sondern ich äußere mein Feedback, die anderen Team-Mitglieder äußern ihr Feedback und derjenige, der dann die Entscheidungsgewalt hat, sprich der Creative Lead in dem entsprechenden Bereich, kann mit unserem Feedback dann machen, was er für richtig hält. Das ist für mich auch okay. Es kommt immer mal wieder vor, dass mein Feedback nicht ins Spiel wandert und dann hat das auch gute Gründe und dann finde ich das auch völlig richtig so.
WorldofGothic: Was ist für dich die größte Gemeinsamkeit und der größte Unterschied zwischen Original und Remake?
Rosenkranz: Ich finde, die größte Gemeinsamkeit ist die Stimmung und die Gestaltung der Welt. Ein weiterer Aspekt, den ich noch als Gemeinsamkeit ansehen würde, ist, dass das Spiel sich traut, den Spielenden etwas abzuverlangen, zu sagen „wir kauen dir nicht alles vor, wir nehmen dich nicht an die Hand, wir ziehen dich nicht mit einem Kompass oder magischen Questmarker zu einer bestimmten Location, sondern wir trauen dir das zu, dass du das schon checkst, du wirst die Welt schon lesen können, du wirst die Charaktere schon verstehen können, die Motivation, die Möglichkeiten und so weiter. Und dann darfst du dich auch gut fühlen, wenn du es geschafft hast.“ Das ist ein Aspekt, der schon bei Gothic 1 sehr stark war und das hat auch viel mit der Progression zu tun: Man wird immer besser und kann sich dann in Bereiche vorwagen, wo man vorher nicht war oder wo man nicht rein konnte und in den Punkten ähnelt das Remake sehr, sehr stark dem Original. Der größte Unterschied ist, glaube ich, die Bedienung. Das ist natürlich nicht verwunderlich bei einem Spiel, dass 25 Jahre alt ist, aber das Interface und die Handhabung und das, was man konkret tut auf der Tastatur oder dem Controller, hat sich schon sehr geändert.
WorldofGothic: Kannst du während der Entwicklung auch Zwischenstände des Spiels spielen oder bist du da als Komponist außen vor?
Rosenkranz: Ich bin komplett eingebunden in den Iterationsprozess. Ich kann mir jederzeit die aktuelle Entwicklungsversion ziehen und spielen, testen und ich arbeite ja auch im Editor der Unreal-Engine und pflanze überall meine Soundquellen in die Welt und lade das Animationssystem von unreal und hänge die Sounds an die Animationen, um sie damit zu synchronisieren, das heißt, da bin ich mittendrin.
WorldofGothic: Gab es für dich während der Entwicklung irgendwann einen "Aha!"-Moment bei dem du dachtest, dass hier ein Projekt entsteht, das dem Erfolg des Originals nacheifern kann?
Rosenkranz: Es gibt Aha-Momente in zwei Stufen. Es gab den ursprünglichen Aha-Moment – vielleicht ging es euch ähnlich beim ersten Spielen des Nyras-Prologs – dieses Gefühl des Zurückkehrens in diese Welt, das Gefühl, dass sie genauso ist, wie man sie sich damals ausgemalt hat. Gothic 1 hat eine abstrakte, reduzierte, minimalistische Vorlage gegeben, die man dann selber im Kopf aufblühen lassen hat. Man hat die Details selbst ergänzt und irgendwie die Lücken gefüllt und das, was wir jetzt geboten bekommen, ist quasi so, wie man sich das selbst früher vorgestellt hat, wie es aussehen sollte. Und das war für mich ein richtig schönes Gefühl, denn die Welt ist noch die von damals und man kann sich in ihr genauso – in Anführungszeichen – wohlfühlen kann.
Dann gab es noch einmal einen weiteren Aha-Moment. Da möchte ich jetzt gar nicht zu sehr ins Detail gehen, aber da habe ich wirklich einen Moment der Rührung empfunden und habe direkt dem Team geschrieben, dass ich das richtig geil finde, was da entstanden ist, das sind Dinge, die im letzten Kapitel passieren und wo ich wirklich beeindruckt war, von dem, was da geleistet wurde. Und das ist dann nicht das Gefühl „cool, es ist alles so wie damals“, sondern „Wow, die Sachen, die neu sind, passen so perfekt zu dem, was schon da war.“ So hätte es damals sein müssen und es fühlt sich wie eine perfekte Ergänzung an. Und da ist dann der Aha-Moment: die Leute haben es kapiert und sind in der Lage, die Sprache, die wir damals implementiert haben, jetzt selber als fließende Muttersprache zu sprechen. Und mit Sprache meine ich jetzt die Design-Sprache und nicht die gesprochene Sprache.
WorldofGothic: Gibt es irgendetwas aus der Gothic-Community, was dir oder den Entwicklern besonders aufgefallen ist oder was euch beeinflusst hat?
Rosenkranz: Was ich an der Zusammenarbeit mit der Gothic-Community sehr spannend fand, war, dass die Community quasi die gleiche Achterbahnfahrt der Gefühle, was Zuversicht, was Enttäuschung, was Zweifel, was Optimismus angeht durchmacht, wie erstens ich persönlich auch immer wieder durchmache und zweitens auch das Team wieder spürt, dass sie mit einzelnen Dingen, die sie rausgehauen haben, noch nicht so die Community mitgenommen haben, wie zum Beispiel mit dem Playable Teaser oder die Monsterdesigns, die wir am Anfang gemacht haben. Aber dass es irgendwann so einen tipping point gab, wo man dann auch immer mehr verstanden hat, wo die Community mehr verstanden hat, worauf wir hinaus wollen, auch mehr zu sehen, zu spüren, zu hören bekommen hat und dass dadurch auch mehr Vertrauen entstanden ist. Und das Vertrauen ist die beste Grundlage für unsere Zusammenarbeit. Dass wir der Community vertrauen, dass sie uns nicht ans Bein pinkeln wollen, sondern auf einer sachlichen und konstruktiven Ebene einfach für uns da sein und uns helfen wollen, dass die Community uns aber auch vertraut, dass wir das Ding ernst nehmen, dass wir Herzblut reinstecken, dass wir nicht die Marke abmelken, sondern dieser Seele treu bleiben wollen und das irgendwie wiederbeleben wollen. Dieses gegenseitige Vertrauen ist etwas, das mir an der Gothic Community sehr gut gefällt.
WorldofGothic: Auch das Modding hält die Gothic-Community bis heute am Leben – gibt es Bestrebungen, Modding auch für das Remake zu ermöglichen? Oder anders: Im Laufe der Entwicklung wurden ja verschiedene Aussagen zum Modding getroffen. Von „Es wird so gut wie alles möglich sein“ bis zu „Es werden nur kleinere Änderungen möglich sein“. Es ist derzeit also nicht so ganz klar, was ihr mit dem Remake für Modding-Fähigkeiten plant. Wie ist denn eigentlich der Ist-Stand bei dem Thema? Wird es möglich sein, eigene Mods zu erschaffen mit neuen Landschaften, neuen Items, neuen NPC, neuen selbst vertonten) Dialogen, neuen Monstern, neuen Effekten, neuer Musik, neuen Animationen?
Rosenkranz: Das Gothic Remake ist ja in der Unreal Engine entwickelt und deswegen haben wir keinen eigenen Welt-Editor. Um die Möglichkeit anzubieten, dass man eigene Welten bauen und importieren kann, muss man sehr, sehr tief in die Unreal-Interna hinabsteigen. Deswegen ist es im Moment so, dass alles, was sozusagen in der Welt stattfindet, also welche Truhen werden mit welchem Loot befüllt, welche Charaktere spawnen wo, was sind die Dialoge, was sind die Werte, was sind die quest-Abläufe und so weiter … dass das alles schon modbar ist. Die Nyras-Demo und jetzt auch der Combat Playground sind ja Mods des Originalspiels. Das heißt, auf der Inhaltsebene lässt sich da letztendlich alles modden. Bei der Gestaltung des User Interfaces bin ich mir gerade nicht sicher, wie gut man da die Assets austauschen kann. Aber das wird bestimmt irgendein gewiefter Programmierer hinbekommen. Also alles, was so „abstrakter“ Story Content und Daten Content ist, lässt sich modden. Die Welt selbst lässt sich im Moment noch nicht modden. Diese Aussagen basieren auf der ersten Version des Modkits, das wir herausbringen wollen.
WorldofGothic: Kannst du dem WoG eine (exklusive) Hörprobe geben?
Rosenkranz: Na klar. Hier, bitteschön. Es heißt Xardas Tower Day Explore. Viel Spaß damit!
WorldofGothic: Im originalen Gothic 1 hattest du als Easteregg ein „KSO“ am Sternenhimmel. Wird es im Remake ebenfalls ein Easteregg von dir geben?
Rosenkranz: Ja! ;-)
WorldofGothic: Wir sind gespannt! Vielen Dank für das Interview.