
mit Teut Weidemann (Gründer und Geschäftsführer von Wings Simulations (Panzer Elite und Söldner: Secret Wars))
JoWooD-Themenwoche - Tag 3: Söldner-Macher Teut Weidemann: "Alles, was ich erntete, waren blöde Gesichter"
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Auf den Seiten des Computerspiel-Magazins PC Games erschien dieses Interview am 20.05.2011.
Da es seit langem nicht mehr online aufrufbar ist, haben wir das Interview bei World of Gothic eingegliedert, um es zu erhalten und weiterhin für jeden Interessierten abrufbar zu machen. |
Ergänzend zur JoWooD-Reportage veröffentlichen wir seit Mittwoch täglich ein neues Interview mit Leuten, die es wissen müssen: Persönlichkeiten, die seit Jahrzehnten dabei sind. Insbesondere wird es auch um die Frage gehen, wie es mit Gothic, Arcania & Co. weitergeht. Freut euch auf interessante Blicke hinter die Kulissen des österreichischen Publishers, der mit Titeln wie Gothic 2, Gothic 3, Spellforce, Industriegigant und Die Gilde Spielegeschichte geschrieben hat.
PC Games: Teut, du bist seit den 80er Jahren in der Branche. Mit Panzer Elite und Söldner: Secret Wars hat sich das von dir gegründete Studio Wings Simulations einen Namen gemacht. Wie geht es dir heute und mit welchen Projekten bist du derzeit beschäftigt?
Weidemann: Ich bin immer noch begeistert in der Spielebranche dabei. Ich bin seit drei Jahren Online-Spezialist und helfe Unternehmen, in diesem neuen Bereich Fuß zu fassen. Derzeit bin ich exclusiv bei Ubisoft Blue Byte und hab das Projekt "Die Siedler Online" seit mehr als sechs Monaten online.
PC Games: Vor etwas mehr als sechs Jahren hat JoWooD euer Studio Wings Simulations geschlossen. Wann hat sich das angedeutet und wie habt ihr von dem Aus erfahren?
Weidemann: Wir sind mit Wings während der JoWooD Zeit durch drei Krisen gegangen, die letzte war dann das Aus. Die Schließung kam nicht so überraschend, weil zwei andere JoWooD Studios schon in der Schließung waren zu der Zeit. Wir haben im November 2004 vom Vorstand erfahren, dass wir schließen müssen, sollten aber erst Söldner: Marine Corps fertig stellen. Im April 2005 war Wings dann Geschichte.
PC Games: Mit dem Kauf von Wings Simulations sollte laut JoWooD-Geschäftsbericht insbesondere die Entwicklung von Online-Games vorangetrieben werden. Fünf Jahre, bevor World of Warcraft den Durchbruch brachte, war bereits vom Wachstumsmarkt "Massive Multiplayer Online Games" die Rede – also durchaus visionär. Wart ihr der Zeit schlichtweg voraus?
Weidemann: Ich habe seit 1998 versucht, ein MMO an Publisher zu verkaufen. Alles, was ich erntete, waren blöde Gesichter, weil die keine Ahnung hatten, von was ich rede. Langsam wurde es besser, aber erst Andreas Tobler (JoWooD-Gründer und Vorstands-Chef bis 2005, Anm. d. Red.) kapierte, was wir da machen wollten und hat uns dann den Unternehmenskauf angeboten. Jedoch wollten wir nicht ins kalte Wasser springen und die Server- und Client-Technologie erst "testen". Dieser Testlauf hieß Söldner: Secret Wars, deswegen war die Technologie auch so aufwändig ausgelegt. Aus finanziellen Gründen hat JoWooD das MMO-Projekt zwei Jahre später auf Eis gelegt.
PC Games: Mit Söldner: Secret-Wars-Features wie zerstörbaren Umgebungen, personalisierbaren Einheiten und riesigen Spielfeldern wolltet ihr euch seinerzeit von Battlefield 1942 & Co. absetzen. Auch hier die Frage: Wart ihr der Zeit schlichtweg voraus oder habt ihr euch schlicht zu viel vorgenommen?
Weidemann: Das ist etwas komplexer: Alles, was wir gemacht haben, war in der ein oder anderen Form schon vorhanden, nur die Kombination machte Söldner aus. Es war das erste Spiel weltweit mit komplett zerstörbarer Umgebung im Multiplayer, erst Battlefield: Bad Company konnte das Jahre später nachmachen. Aber das Problem liegt ja nicht immer nur auf einer Seite: Wir haben unterschätzt, welcher Aufwand die Server-Seite ist, JoWooD hat den QA-Testaufwand (QA = Quality Assurance = Qualitätssicherung, Anm. d. Red.) für ein Online-Spiel unterschätzt, die Technologie war als MMO Technologie ausgelegt und entsprechend zu teuer (aber damals in der Roadmap sinnvoll), zudem lief uns die Grafiktechnologie (Shader) davon und natürlich die zehn Prozent, die immer schief gehen. Das alles führte dazu, das Söldner nicht dem entsprach, was wir wollten, aber zeigte gewaltig Potenzial. Erst mit dem Add-on konnten wir Söldner auf stabile Füße stellen. Es hat heute noch eine große Fanbasis, mit der ich immer noch in Kontakt stehe.
PC Games: Mike Hoge von Piranha Bytes (Gothic 1 bis 3, Risen) hat kürzlich in einem Interview klar gemacht, dass Gothic 3 überstürzt auf Druck von JoWooD veröffentlicht wurde – inklusive aller Bugs und Unzulänglichkeiten. Wie war das 2004 bei Söldner: Secret Wars, das ja auch mit erheblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte?
Weidemann: Die Finanzkrisen von JoWooD haben uns sehr zugesetzt. Wir planten mit 30 Leuten, hatten aber nur die Freigabe für knapp 20. Dass wir monatelang von JoWooD kein Geld sahen, tat sein Übriges. Nur dem vorsichtigen Wirtschaften war zu verdanken, dass wir unsere Angestellten immer zahlen konnten. Gelitten hat nur eins darunter: das Produkt. Die Bugs sind alleine darauf zurückzuführen, dass es keine QA (QA = Quality Assurance = Qualitätssicherung, Anm. d. Red.) gab, die es auch nur annähernd testen konnte. Wie auch? Mit acht Testern kann man ein Online-Spiel, das auf 32 ausgelegt ist, nicht testen. Da hat die QA auch keine Schuld, denn für mehr war kein Geld da. Wir haben daher eine eigene QA aufgebaut, die sehr gute Arbeit geleistet hat, aber den wirklichen Anforderungen bei Release nicht gerecht werden konnte. Unsere Server wurden überrannt.
PC Games: JoWooD lag im juristischen Dauerclinch mit Entwicklern, Studios und Publishern – und dieser Zwist wurde zwangsläufig recht öffentlich ausgetragen. Würdest du die These unterschreiben, dass sich JoWooD mehr mit sich selbst beschäftigt hat als mit der Entwicklung von Spielen?
Weidemann: Mit sich selber würde ich so nicht sagen, eher mit den Finanzproblemen jeden Tag: Löcher stopfen, Klagen abwenden, Rechnungssteller beschwichtigen und vertrösten. Da bleibt nicht viel Zeit, um eine vernünftige Produktion zu betreuen. Und wenn man jeden Monat bangen muss, ob nun Geld kommt oder nicht, hat man den Kopf kaum frei, um das Produkt richtig zu machen.
PC Games: Was hat JoWooD letzten Endes aus deiner Sicht das Genick gebrochen?
Weidemann: Der Börsengang war gut, aber die Investition des Kapitals war nicht richtig. Zudem hat man sich zu sehr dem Joch der Aktionäre unterworfen, statt das zu machen, was richtig ist: gute Spiele, die langfristig Potenzial haben.
PC Games: Du warst fünf Jahre lang Teil von JoWooD und hast das rasante Wachstum seit dem Börsengang hautnah miterlebt. An welchen Moment dieser Phase denkst du am liebsten zurück? Welche Zeit möchtest du nicht missen?
Weidemann: Die ersten zwei Jahre waren die besten. Da war Motivation und Leidenschaft jeden Tag zu spüren, alle zogen an einem Strang. Die Entwicklerkonferenzen der JoWooD-Unternehmen waren legendär. Das Ganze änderte sich, als der Atem ausging und damit das Geld knapp wurde.
PC Games: JoWooD war anfangs ausgesprochen erfolgreich mit Wirtschaftssimulationen, Aufbauspielen und Strategiespielen. Diese Genres sind (bis auf wenige Ausnahmen wie Anno) fast vollständig in den Free2play-Browsergame-/Facebook-Bereich abgewandert. Hast du noch Hoffnung für den klassischen 40-Euro-DVD-in-der-Schachtel-Markt oder spielen wir solche Spiele in zwei Jahren nur noch online?
Weidemann: Ich glaube, das Genre ist nicht tot, es wird nur von den Publishern ignoriert. Die Tycoon-Spiele werden sicherlich irgendwann wieder entdeckt werden, es muss nur richtig verpackt werden. Der Box-Markt wird auch nicht sterben durch Free to play, er wird nur ergänzt. Der Anspruch an Box-Titel ist so hoch, dass ihn wohl nur noch wenige bedienen können, weil das Risiko immens ist. Experimente wird es im Online-Bereich und im Indie-Bereich geben, und ich sehe mit Leidenschaft zu, wie kleine Teams auf iPhone, im Browsergames- oder Indie-Bereich Erfolge einfahren, die es so vorher nie gegeben hat. Angry Birds, Tiny Wings, Minecraft, World of Goo und viele mehr sind Zeichen: Jede Teamgröße kann Erfolg haben, wenn sie das richtige Spiel auf dem richtigen Format bringen.
geschrieben von Petra Fröhlich