Elind, die Chefin unseres russischen Risen-Ablegers konnte einem weiteren Gründungsmitglied ein kleines Interview entlocken. Dieses Interview wurde für die russische WorldofRisen Seite geführt.


Alex, Du bist eigentlich bei uns in Russland eine Kultfigur neben den anderen Ur-Piranhas. Wie bist Du ins Team gekommen? Was war Dein Job bei Piranha Bytes?

Kultfigur? Cool! :-)
Die Gründungsmitglieder, Mike, Tom, Stefan und ich haben alle bei Greenwood Entertainment gearbeitet, ein Entwickler, der überwiegend Spiele für den deutschen Markt produziert hat. Solche Perlen wie "Der Planer" oder "Das Amt". Ich war bei Greenwood als Animator und 3D-Modeler angestellt, mein erster großer Job dort waren die 3D-Modelle und Animationen für ein Endzeit-Racing Game namens "D.O.G.". Weil das Projekt nicht so gut voran kam, habe ich mich dann auch noch ins Game Design eingemischt und später auch die Projektleitung gemacht und das Handbuch geschrieben. Stefan kam als Konzeptautor und Game-Designer kurz nach mir zu Greenwood, Tom als Level-Designer und Mike für Grafik und Level-Design.


Wie entstand der Name »Piranha Bytes« und hat er einen tieferen Sinn?

Den Namen zu finden war recht schwierig. Viele unserer Namensideen gab es schon und jeder im Team wollte mit diskutieren. Ich weiß nicht mehr von wem der Vorschlag »Piranha Bytes« kam, aber er hat allen gut gefallen und damit war das Thema durch. Einen tieferen Sinn hat der Name nicht, sollte halt cool sein. Mein Vorschlag damals war »Gorilla Games« - irgendwie gut, dass es der nicht geworden ist. ;-)

Womit war Euer Team früher beschäftigt, bevor es mit der Entwicklung von Gothic angefangen hat, auf welches Gebiet war das Team spezialisiert?

Das Piranha Bytes Team, abgesehen von den 4 Gründern, ist erst während der Arbeit an Gothic 1 entstanden. Der Startschuss für GOTHIC war, als drei Studenten bei Greenwood eine in Pascal geschriebene Rollenspiel-Demo vorstellten. Die Demo erinnerte an Ultima Underworld und wir hatten große Lust ein Rollenspiel zu machen, weil wir alle RPG Fans sind und privat nicht wirklich die Wirtschaftssimulationen mochten, an denen wir bei Greenwood gearbeitet haben. Die drei Studenten (Dieter, Ulf und Bert) machten einen Vertrag mit Greenwood und die Rollenspieler der Firma begannen damit Konzept-Ideen zu sammeln. Leider ging Greenwood kurze Zeit später das Geld aus und musste schließen. Das war quasi der Startschuss für GOTHIC. Stefan, Mike, Tom und ich beschlossen mit dem Projekt weiter zu machen und wir überzeugten die drei Programmierer, dass das eine gute Idee ist.

Habt Ihr Angst dabei gehabt, Euch solch eine große und schwierige Aufgabe anzunehmen? Ihr wart da wahrscheinlich noch völlig unerfahren in der Spielbranche. Oder?

Wir hatten keine Angst, weil wir keine Ahnung hatten, worauf wir uns da gerade eingelassen hatten ;-)

Wie habt Ihr fehlende Leute für die Arbeit gesucht, oder wie kamen eigentlich neue Leute ins Team? Nach welchem Prinzip habt Ihr die Leute aufgenommen? Stellenausschreibung, alte Freundschaften, Gerüchte (über Leute die gut waren)?

Am Anfang ging viel über persönliche Kontakte. Es hat auch sehr geholfen, dass Tom ganz schnell gute Kontakte zur Fachpresse hatte und wir ziemlich früh im Projekt schon Previews in den großen Games-Magazinen hatten. Einige der ersten neuen Team-Mitglieder waren Quer-Einsteiger in die Branche. Wir hatten gar nicht das Geld um erfahrene Leute zu bezahlen, aber das Glück, dass wir trotzdem sehr gute Leute ins Team bekommen haben.

Wenn es kein Geheimnis ist, woher habt Ihr dann das Geld für die Entwicklung bezogen? Oder habt Ihr zuerst aus reinem Enthusiasmus gearbeitet? Wie ist es Euch endlich gelungen die Sponsoren zu finden?

Am Anfang der Entwicklung hatten wir keinen Publisher und auch keine Investoren. Wir haben eine Weile von Rücklagen gelebt, oder uns durch die Hilfe von Freunden und Familie finanziert. Die Suche nach einem Publisher dauerte dann doch viel länger als wir dachten und in dieser Zeit haben wir das Projekt hauptsächlich durch Enthusiasmus und lange Arbeitstage vorangebracht.

Wem von Euch kam die Idee, ein Rollenspiel zu entwickeln?

Die Idee ein Rollenspiel zu entwickeln stammt von Dieter, Ulf und Bert, den der Studenten die Ihre Demo bei Greenwood vorgestellt haben.

Wie habt Ihr Euch eigentlich diese Welt »unter der Barriere« ausgedacht?

Die erste Überlegung war, dass wir eine lebendigere Welt erschaffen wollten, als in den meisten anderen RPGs. Als sehr kleines Team konnten wir aber nicht gleichzeitig eine große und lebendige Welt erstellen. Also musste die Welt klein sein. Die Grundidee für das Szenario von GOTHIC ist an den John Carpenter Film »Flucht aus N.Y.« angelehnt. Dort ist ganz Manhattan ein Gefängnis und drinnen herrscht Anarchie. Die Welt ist klein, aber durch die unterschiedlichen Gruppierungen und Interessen sehr interessant. Die »Magische Barriere« war unsere Lösung dafür, eine relativ kleine abgeschlossene Spielwelt zu erschaffen, die aber Teil einer großen Welt ist.

Warum habt Ihr eigentlich gerade das Mittelalter und die Fantasie-Welt gewählt?

Wenn ich mich richtig erinnere, war das hauptsächlich eine Frage unseres persönlichen Geschmacks.

Wann wurde Euch richtig bewusst, das Euer Spiel erfolgreich sein könnte?

Daran hatten wir eigentlich gerade am Anfang keinen Zweifel, weil wir dachten, dass wir es eben besser können als die Anderen. Ohne eine große Portion Selbstvertrauen (manchmal auch Selbstüberschätzung) ist so ein Projekt wohl auch nicht zu schaffen. Durch die perfekte Presse-Arbeit, die Tom gemacht hat und das große Interesse der Fachmagazine und Spieler hatten wir während der ganzen Entwicklungszeit von 3 1/2 Jahren sehr viel positives Feedback. Das hat natürlich auch sehr geholfen und uns in schwierigen Phasen motiviert.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, den Helden namenlos zu lassen? (hatte Euer Held doch irgendwelche »geheimen« Namen? Wie habt Ihr ihn unter einander im Team genannt?)

Hmm, das müsst ihr mal Mike fragen, für die Story-Details bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Aber ich glaube wir fanden das lustig, dass sich niemand in der Welt für den Namen des »Helden« interessiert. Man fängt ja als Nobody an und arbeitet sich langsam hoch.

Wer hat eigentlich damals die Geschichte geschrieben? Jemand alleine oder alle zusammen und jeder hat etwas Eigenes beigetragen?

Vor der Geschichte haben wir das Szenario ausgearbeitet, also die Welt beschrieben, Skizzen gemacht, die unterschiedlichen Fraktionen (Altes Lager, Neues Lager, Sumpflager, etc.) ausgearbeitet und welche Ziele sie haben. Danach wurden die Charaktere und die Story entwickelt. Dass man das Ziel hat aus dem Gefängnis zu fliehen war auch von Anfang an klar, genau wie das Ziel, dass alles in GOTHIC etwas dreckiger und gemeiner sein soll, als in den meisten anderen RPGs.

Kannst Du irgendwelche interessanten Features nennen, die schon vollständig im Spiel realisiert waren, aber beim Release des Spieles verschwunden sind (Zum Beispiel der Umfang eines Feuerballs, der von der Kraft eines Magiers abhängig war, »rollende« Goblins usw.)

Oh, es gab ziemlich viele Features, die relativ weit waren, aber nicht ganz fertig, oder die fertig waren aber im Spiel nicht so gut funktioniert haben wie erwartet. Aber das meiste davon habe ich verdrängt... ;-)
Beim Interface war z.B. die erste Idee, dass man keine Multiple-Choice Antworten geben kann, sondern nur mit "Ja" oder "Nein" auf Fragen der NPCs antwortet (Daumen hoch oder runter Symbol). Als das eingebaut war, war aber niemand glücklich damit, wie eingeschränkt man damit bei den Quests und Dialogen ist, also flog es wieder raus. Solche Dinge frustrieren natürlich den Programmierer, der nun von vorn anfangen muss. Durch unsere fehlende Erfahrung und auch durch unser Ziel, vieles besser zu machen als andere RPGs, hatten wir recht viele Features, die später geändert oder entfernt werden mussten. Es gab z.B. schon einen Testlevel, in dem ein Troll Gobbos über eine Schlucht zum Spieler werfen konnte, damit die ihn angreifen. Das Feature war zwar witzig, aber im Spiel nicht wirklich oft einsetzbar, deshalb wurde daran nicht weiter gearbeitet. Ursprünglich war auch ein Multiplayer-Modus geplant und wir hatten auch schon recht lange daran gearbeitet, bevor klar wurde, dass
wir nicht genügend erfahrene Programmierer haben um den Multiplayer-Modus fertigzustellen. Ursprünglich sollte es auch keine gerenderten Zwischensequenzen geben, sondern nur Ingame-Cutscenes. Dazu hatten wir ein aufwändiges Tool programmiert, aber leider machten uns immer wieder die Tagesabläufe der NPCs und die Wegfindung Probleme. Man möchte in einer dramatischen Cutscene eben nicht sehen, wie jemand ins Bild läuft und sich am Hintern kratzt und dabei die eigentliche Szene verdeckt...


Kannst Du den Grund nennen, warum Du das Team doch verlassen hast und ob Du noch Kontakte zu den anderen Piranhas hast?

In der Anfangsphase von GOTHIC 2 gab es unterschiedliche Meinungen darüber, wie es mit GOTHIC und der Firma weitergehen sollte. Außerdem war gerade bei der Phenomedia AG, von der Piranha Bytes einen 100% Tochterfirma war, große Krisenstimmung wegen Bilanzfälschungen und abstürzenden Aktienkursen... So kam es, dass Stefan und ich PB verlassen haben. Ich habe danach einige Jahre zusammen mit Ralf Marczinczik an kleineren Casual Games gearbeitet, zu denen meist Ralf die Idee hatte und die Art-Direction machte und ich das Game Design. Die Projektleitung haben wir uns geteilt. Das war eine sehr entspannte und kollegiale Zusammenarbeit.

Alex, kannst Du uns erzählen, wo Du nun tätig bist und ob Deine Arbeit mit der Spielebranche wieder verbunden ist?

Ich habe als freiberuflicher Game Designer gearbeitet, danach bei Ubisoft am Game Design von »Die Siedler 6« mitgearbeitet. In letzter Zeit habe ich mich wieder als Freelancer mit den Game Design für Web-MMOs beschäftigt, die allerdings noch nicht erschienen sind. Im Moment kämpfe ich gegen eine fiese Krankheit und kann leider nicht arbeiten. Aber wenn ich mich gut genug fühle zocke ich dafür ein paar gute Games. ;-)

Wie erklärst Du Dir selber den großen Erfolg der gesamten Gothic-Reihe?

Ich denke, dass unser düsteres, erwachseneres Szenario eine schöne Abwechslung zur den ganzen Elfen und Zwergen Fantasywelten war. Auch die »lebendige Welt« in einem Rollenspiel war bei GOTHIC 1 noch etwas Neues. Dass z.B. mal jemand vom Lagerfeuer aufsteht und an einen Mauer pinkelt oder dass NPCs es bemerken, wenn man in ihre Hütte geht und darauf reagieren. Dass man aufgefordert wird seine Waffe wegzustecken, wenn man sie zieht, das Verhalten der Tiere in der Welt, die Tagesabläufe der NPCs, die dynamisch an die jeweilige Spielsituation angepasste Musik von Kai,... All diese Details, die die Welt glaubhaft und lebendig machen.

geschrieben von meditate


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